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Wenn ich nun zu der Besprechung der Protoplasmastrahlung zurückkehre, so ist erstens zu bemerken, dass,
wie auch die angeführten Figuren zeigen, die Dotterkörnersäulen zwischen ihren Strahlen verschieden tief nach der
Centrosphäre hineindringen; im allgemeinen lassen sie jedoch in der nächsten Umgebung der Sphäre eine kleine
Partie frei. Sobald sich die Centrosphäre in zwei teilt, folgt bekanntlich die Strahlung diesem Prozesse, und
es entstehen die zwei Strahlensonnen, deren innere, gegeneinander gerichtete Strahlen sich gegenseitig kreuzen
(Fig. 9 der Taf. IV), um je für sich mit ihrem anderen Ende bis nahe an die Peripherie des Eies hinanzureichen.
Dann wird der grösste Teil des Eies von nach allen Seiten radiierenden Strahlen eingenommen (Fig. 1 der Taf. V).
Es ist besonders interessant, diesen ganzen Prozess der Umordnung des Eiprotoplasmas und Deutoplasmas zu
verfolgen. Die zuerst kleine Strahlensonne um die Centrosphäre des eben eingedrungenen Spermiums wächst und
erweitert sich schnell beim Annähern zum Eikern und Zusammentreffen mit ihm. Noch ist aber ein recht bedeutender
Teil des Eies von der Strahlung nicht eingenommen, indem die von dem Spermium nicht berührte, ihm
gegenüberliegende, an. der anderen Seite des Kerns befindliche Partie noch ihren Bau von gewundenen Deuto-
plasmabalken mit um- und zwischenliegenden Mitomgeflechten darbietet (Taf. IV, Fig. 2, rechts und unten). Doch
bemerkt man auch hier in der Nähe des Kerns schon eine beginnende Anordnung in radiierende Deutoplasma-
stränge. Wenn der Schnitt so durch das Ei getroffen ist, dass man die Strahlensonne von dem animalen Pole
her sieht, wie die Fig. 4 der Taf. IV zeigt, so kann man die Ausdehnung der Sonne in diesem Stadium oft gut
überblicken, und man sieht, wie sie an ihren äusseren Grenzen in das unregelmässige Balkenwerk der von ihr
noch nicht eingenommenen Eipartie übergeht; zu bemerken ist indessen, wie oben hervorgehoben wurde, dass in
dieser Fig. 4 ein Ei abgebildet ist, wo die Substanz sehr kompakt war und die Plasmabalken sämmtlich dicht zusammengedrängt
und mit sehr wenig Paramitom versehen waren.
Bevor ich in der Verfolgung der eigentlich normalen Verhältnisse weiter gehe, mögen aber im Zusammenhang
mit den beschriebenen Strahlungen auch die durch Polyspermie hervorgerufenen kurz besprochen werden.
Bekanntlich können, besonders wenn die Eier nicht ganz frisch sind, zwei oder mehr Spermien in sie eindringen
. Dann entsteht, wie schon viele Autoren beschrieben haben, an jedem Spermienkopf eine kleine Strahlung.
Da es für mein Thema von Interesse war, zu eruieren, wie sich diese Strahlungen zu dem umgebenden Proto-
resp. Deutoplasma des Eies verhalten, habe ich den fraglichen Prozess an vielen solchen Eiern näher studiert.
Überall zeigte es sich, dass auch bei den supernumerären Spermien die Verhältnisse prinzipiell dieselben sind
wie bei dem normalen, allein eindringenden, cl. h. es bildet sich um die am hinteren Ende des Spermienkopfes entstehende
Centrosphäre eine kleine Strahlung aus radiierenden Zügen des Mitoms, und die Deutoplasmakörner ordnen
sich zwischen ihnen zu radiierenden Balken. Am äusseren Rande der Strahlung gehen die Mitomzüge in das dort
befindliche Mitomgeflecht und die Deutoplasmastrahlen in die dortigen gekrümmten Balken über. Wras die Sper-
mienköpfe selbst betrifft, so legen sie sich in verschiedenen Richtungen neben ihre Centrosphären, zuweilen von
diesen etwas entfernt; lange behalten viele dieser Köpfe ihre ursprüngliche Gestalt und schwellen nicht an, sondern
schrumpfen sogar und erhalten stachelige Fortsätze; hier und da trifft man jedoch einzelne Köpfe, welche, gerade
wie bei den normal eintretenden und mit dem Kern verschmelzenden Köpfen, eine Anschwellung und Abrundung
mit einer Differenziation von getrennten Chromosomen erfahren. Zuweilen erkennt man schliesslich in ihren Centrosphären
einen feinen, durch Hämatoxylin schwarz gefärbten Mittelpunkt, der ganz wie ein Centraikörperkörnchen
erscheint; ich habe dies mehrmahls deutlich gesehen, besonders in Eiern, deren Befruchtungszeit schon etwa eine
halbe Stunde erreicht hat. In Fig. 10 der Taf. V ist ein solches Ei mit zwei Strahlungssonnen um je eine Centrosphäre
mit ihren Spermienköpfen dargestellt, und in beiden Sphären erkennt man je einen Centraikörper; es ist
dies besonders deshalb von Interesse, weil man ja in den Eiern, die in normaler Weise durch eine Spermie befruchtet
werden, in der ersten Centrosphäre derselben keinen Centraikörper bemerkt. Von den Eiern mit Polyspermie
konnte ich sonst nur noch für eine zweite Figur auf den Tafeln Platz finden, nämlich die Fig. 11 der
Taf. IV, wo an dem abgebildeten Schnitt elf Spermien mit je einer Centrosphäre und Strahlungssonne sichtbar
sind; die Befruchtungszeit der zugehörigen Eigruppe war 10 Minuten. Auch hier erkennt man zwischen den
Strahlungssonnen die gewöhnliche Anordnung mit Schlingen von Mitom-umsponnenen Deutoplasmabalken, die in
verschiedenen Richtungen verlaufen. Keiner von diesen Spermienköpfen hatte eine Anschwellung erfahren. In den
Eiern mit Polyspermie findet man übrigens recht oft ganz schöne und regelmässige Kombinationen von Strahlungs-
sonnen, wie solche längst von Oscar und Richard Hertwig l) und anderen Autoren schon wiedergegeben und be-
') Eben solche Eier, wie die von diesen Forschern im J. 18S7 abgebildeten (Jen. Zeitschr. f. Naturwiss., Band 20;, mit schön sternförmiger
Gruppierung kamen in meinen Präparaten zahlreich vor; z. B. solche wie in Fig. 20 a der Taf. IV Hertwig's u. s. w.
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