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und experiment. Entwickelungesch, der Wirbeltiere (1903) lautete die Darstellung des betreffenden Vorganges fol-
gendermassen: »Die Eier sind von einer zarten, der Oberfläche dicht anschliessenden Gallerthülle umgeben. Wir
wollen dieselbe, da sie im Ovar als ein Ausscheidungsprodukt des Follikelepithels entsteht, »Chorion» nennen im
Gegensatz zu der Dotterhaut, die wir sogleich noch als eine Ausscheidung des Eies kennen lernen werden. Wenn
Eier und Spermatozoon im Meerwasser zusammentreffen, so dringen letztere in grosser Menge in das Chorion an
beliebigen Stellen ein; in das Ei selbst gelangt jedoch nur 1 Samenfaden und von demselben auch nur Kopf und
Mittelstück (Hals), während der Schwanzfaden draussen zurückbleibt. Das Eindringen weiterer Spermatozoon wird
schon dadurch unmöglich gemacht, dass, sowie ein Samenfaden die Verbindung mit der Eizelle bewirkt hat, diese
auf ihrer gesamten Oberfläche eine feste Hülle, die für weitere Spermatozoon undurchdringliche Dottermembran,
ausscheidet. Von der Dottermembran zieht sich das Ei zurück, indem es sein Volumen nicht unerheblich verkleinert
und zugleich eine weiche, durch Wasseraufnahme quellende Substanz, wahrscheinlich Gallerte in den
Zwischenraum ausscheidet. Das Eiprotoplasma erfährt somit eine Veränderung.»
In seiner im J. 1909 erschienenen »Allgemeine Biologie», Dritte Auflage, äussert Oscar Hertwig hinsichtlich
dieser Erscheinung: Wo das Spermium »mit der Spitze seines Kopfes an das Ei anstösst, erhebt sich das
Protoplasma, welches die Eirinde bildet, zu einem kleinen Höcker, dem Empfängnishügel. Hier bohrt sich der
Kopf, getrieben von den pendelnden Bewegungen des Fadens, in das Ei hinein, welches in diesem Moment, angeregt
von dem Eeiz, eine feine Membran, die Dotterhaut, an seiner Oberfläche abscheidet und darauf wahrscheinlich
durch Kontraktion seines Inhalts etwas Flüssigkeit aus dem Dotter auspresst. Infolgedessen bildet sich, vom
Empfängnishügel beginnend, ein allmählich grösser werdender Zwischenraum zwischen Dotter und Dotterhaut aus.
Das Eindringen eines weiteren Samenfadens ist hierdurch unmöglich gemacht.»
Bei reifen Eiern, sagt Ziegler erfolgt die Abhebung der Eihaut sofort nach dem Eindringen des Spermatozoons
in das Ei, wie schon Fol beobachtete. Es ist offenbar, dass das eindringende Spermatozoon den Reiz
zur Bildung und Abhebung der Eihaut erregt, also bevor die Strahlung an dem Centrosom entstanden ist und
lange bevor durch die Vereinigung des männlichen und des weiblichen Kernes die Befruchtung stattfindet. Der
Zwischenraum zwischen der Eimembran und der Eizelle (der perivitelline Kaum, Ziegler) enthält nicht reines Wasser
, sondern eine Lösung organischer Stoffe, welche aus dem Ei austreten und sich mit dem durch die Eimembran
diffundierenden Wasser mischen. »Was die Entstehung der Eihaut betrifft, so ist beim Seeigelei durch
direkte Beobachtung kaum zu entscheiden, ob sie schon vor der Besamung an der Oberfläche des Eies vorhanden
ist oder erst nach der Besamung sich bildet; denn ein so dünnes Häutchen wäre an der Oberfläche der stark lichtbrechenden
Eikugel schwer zu erkennen. Aber ich bin doch überzeugt, dass die Eihaut erst unter dem Einfluss
der Samenzelle entsteht. Denn wenn man das Ei zerschneidet oder Eistücke durch Schütteln herstellt, so bildet
sich eine Eihaut meistens auch an den Eistücken, nachdem ein Spermatozoon in das Eistück eingedrungen ist. . .
Wie gesagt, schliesse ich», fügt Ziegler hinzu, »aus diesen Beobachtungen, dass die Eihaut am unbefruchteten Ei
noch nicht vorhanden ist, sondern erst nach dem Eindringen der Samenzelle entsteht. Wohl aber ist es wahrscheinlich
, dass die unbefruchteten Echinodermeneier schon vor der Befruchtung eine Bindenschicht besitzen. . .
Diese Rindenschicht des unbefruchteten Eies muss also der Mutterboden der Eihaut sein und mag später auch die
Grundlage der am befruchteten Ei hervortretenden hyalinen Protoplasmaschicht bilden.»
Aus den hier vorwiegend aus der betreffenden Litteratur der letzteren Jahre angeführten Äusserungen einiger
besonders autoritativen Autoren geht hervor, dass die ganze Erscheinung der Dottermembran wesentlich
noch dunkel und nicht hinreichend erklärt worden ist. Dass sie sogleich nach dem Eindringen des Spermiums
ins Ei entsteht, kennt man seit den Siebzigerjahren, und dies wurde immer wieder bestätigt. Inwieweit diese
Membran vor dieser ihrer Abhebung von der Eioberfläche schon vorausgebildet sei oder nicht, darüber differieren
indessen die Ansichten der Autoren, indem einige annehmen, dass sie schon da sei, während andere sie gerade
beim Eindringen des Spermiums entstehen lassen.
Ich habe aber absichtlich bei diesem kurzen Überblick die Ansichten und Angaben eines Autors noch nicht
besprochen, welcher sich mit dieser Frage schon lange und ganz besonders lebhaft beschäftigt hat, und zwar deshalb
, weil ich seine Meinungen und Versuche möglichst im Zusammenhang zu behandeln wünschte. Der amerikanische
Forscher Jacques Loeb, welcher bei seinen zahlreichen Untersuchungen über die Parthenogenese der See-
igeleier die Abhebung der Dottermembran immer wieder besprochen hat, scheint diesen Akt in dem Befruchtungs-
*) H. Ernst Ziegler, Die ersten Enticickelungsvorgänge des Echinodermeneies, insbesondere die Vorgänge am Zellkörper. Festschrift z. 70 Geburtst. v.
Ernst Haeckel, 1904.
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