Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., V 9622
Retzius, Gustaf
Biologische Untersuchungen
Jena, N. F. 16.1911
Seite: 40
(PDF, 39 MB)
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Die beschriebenen Färbbarkeitsverhältnisse der Ascariseier im Biondigemisch stimmen also im ganzen mit
den von mir bei den Echinodermen-Eiern geschilderten überein. Hinsichtlich der Deutung dieser merklichen Verhältnisse
werde ich unten auf diese Probleme noch einmal zurückkommen.

2. Hinsichtlich der ProtopJasmastruktur des Zellkörpers der Ascariseier schliessen sich die Ergebnisse meiner
Untersuchungen weit mehr der alten Auffassung von Ed,. Van Beneden und Carnoy, als denen der meisten neueren
Forscher (v. Erlanger, Meves u. a.) an. Eine Wabenstruktur im Sinne von Bütschli kann ich jedenfalls
nicht anerkennen. Die Zellsubstanz besteht nach meinen Befunden aus einer unstrukturiert erscheinenden, hellen
Grundsubstanz, welche ich als das Paramitom Flemming's betrachte, sowie aus feinen, in diesem in verschiedenen
Kichtungen verlaufenden Fäserchen, in welchen kleine Körnchen aufgehängt sind. Dieses feine gekörnte Fasergerüst
, welches offenbar schon längst von Van Beneden gesehen und beschrieben worden ist, welches dem Mitom
von Flemming entspricht, ist aber nicht, wie Van Beneden gemeint zu haben scheint, im eigentlichen Sinne netz-
förmig mit den von ihm als Mikrosomen bezeichneten Körnchen in den Knotenpunkten des Netzes, sondern besteht
aus einem Geflecht von hier und da dichotomisch verästelten Fäserchen, denen die Körnchen eng angeschlossen
sind. Man kann diese Fäserchen bei geeigneter Fixierung und Färbung der Präparate oft auf längere Strecken
verfolgen und sieht sie sich dann hier und da dichotomisch verästeln.

Bei der Zytolyse der Eier gelingt es ganz besonders schön, dieses Fasergerüst zu studieren und die einzelnen
Fäserchen weit zu verfolgen.

In der Grund Substanz findet man dann noch die von Van Beneden beschriebenen hellen Tropfen verschiedener
Grösse und die Deutoplasmapartien, welche letztere sich im Eosin und im Biondigemisch stärker rötlich
färben als die genannten Tropfen und von dem Mitomgerüst umsponnen und durchsponnen sind, während die
Tropfenräume solche Fäserchen nicht enthalten, sondern nur in ihren Umkreisen von denselben umgeben sind.

In Betreff der in letzterer Zeit so viel besprochenen Frage von den > Mitochondrien», resp. den Chondrio-
miten, Chondriosomen, Piastosomen, Plastokonten oder Plastochondrien verweise ich auf meine hier oben geäusserten
Ansichten, indem ich alle diese Bezeichnungen als unnötig, ja sogar irreführend und für die Wissenschaft
schädlich betrachte. Ehe man die Natur dieser sicherlich sehr wichtigen Zellelemente noch viel besser kennt,
ist es gar zu früh, sie mit einer Peihe von neuen spezifizierenden griechischen Namen zu bezeichnen. Es ist gewiss
richtiger, die alten Benennungen Flemming's und Van Benedens, resp. Altmann's bis auf weiteres zu behalten.
Sonst geht es, wie es Meves selbst geschehen ist, dass man auf weiten Umwegen zu dem Schluss gelangt, dass
die neuen Termini technici wesentlich nur neue Namen für schon längst benannte Sachen sind, oder wie Koll.
Meves neulich selbst zugestanden hat: »Die Chondriokonten sind mit den Fila Flemming's, die Mitochondrien oder
Plastochondrien mit den Körnern Altmann's identisch».

Ich habe diese Bemerkungen hier von neuem gemacht, nicht um die Verdienste des genannten hochverdienten
Histologen zu schmälern, sondern teils um die Priorität seines hingeschiedenen grossen, echt kritischen
Kieler Lehrers aufrecht zu halten, teils und besonders auch deshalb, weil in der späteren Zeit, wesentlich auf der
Autorität von Benda und Meves fussencl, eine Schule von jüngeren Forschern entstanden ist, welche die »Mito-
chondrienlehre» mehr oder weniger unkritisch weiter führt und unreife Forschungsfrüchte einsammelt und verbreitet
. Es ist dies meiner Ansicht nach eine Gefahr für die Wissenschaft, weil die betreffende Erforschung eines
so hochwichtigen Gebietes von vorausgefassten Theorien und Meinungen frei sein muss, wenn man zu gesicherten
Ergebnissen gelangen will. Hier ist gewiss eine ganz vorurteilsfreie Forschung nötig.

Im Zusammenhang mit der Frage von der Protoplasmastruktur des Ascariseies will ich aber noch in dieser
Zusammenfassung der Ergebnisse betonen, dass man hinsichtlich der Deutung der mit den Spermien in das Ei
hineinlangenden grossen Protoplasmakörner, welche Meves, wie früher schon die Gebrüder Zoja, näher verfolgt hat,
noch vorsichtig sein möchte. Diese Körner dürften meiner Ansicht nach von ganz anderer Natur sein, als die im
Eiprotoplasma vorhandenen Mitomkörnchen oder Mikrosomen, welche den Fila Flemming's angehören. Diese Sper-
miumkörner können vielleicht — oder wahrscheinlich — den von BRUNN'schen Körnern anderer Spermienarten
homolog sein und eine Art spezifizierter Protoplasmakörner, also »Mitochondrien» im ersten Sinne Benda's darstellen
, die nicht Fasern (Fila) anhängen. Eine »Verschmelzung» dieser Körner der Spermien mit je einem Mitom-
kern des Eiprotoplasmas, wie Meves »theoretisch» annimmt, habe ich nie bestätigen können. Man sieht sie nur
sich im Eiprotoplasma distribuieren, um sich schliesslich den Blicken zu entziehen.


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