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angetroffen; sie bieten recht verschiedene Formen dar; die Fig. 8, 9, 10 und 11 geben einige solche Formen
derselben wieder. Wie die Fig. 6 und 7 zeigen, welche frühere Stadien der Entwicklung dieser Spermien in
Biondifärbung wiedergeben, bilden sich diese Spiralfäden aus dem den Spermiozyten ansitzenden Protoplasma aus.
Lanius eollurio. L.
Taf. XXVII, Fig. 12—23.
Die reifen Spermien von Lanius (Fig. 12 von einem Osmium-Eosanilinpräparat; Fig. 13, von einem Carnoy-
Biondipräparat) zeigen ein verhältnismässig langes und schmales, in etwa drei Spiralwindungen gedrehtes Kopfstück,
an dessen vorderem Ende ein kurzes, auch spiralig gewundenes, feines, sich rot färbendes Spitzenstück sitzt. Hinten
hängt an dem .Kopf ein sehr feiner, gerader, nicht besonders langer Schwanzfaden, an dessen Ansatz das kurze, sackförmige
, hier rotgefärbte Verbindungsstück befestigt ist und nach hinten hin etwas spiralig das vordere Ende des
Schwanzfadens umgibt Fig. 12—16. Die Fig. 23 stellt ein solches Stück ohne das Kopfstück dar.
Mit dem Biondigemisch färbt sich das Kopfstück intensiv grün (Fig. 13).
Die noch nicht reifen Laniusspermien haben sowohl um den vorderen Teil des Schwanzfadens als um den
ganzen Kopf einen schönen, in der Eegel dünnen, sich rotfärbenden Spiralfaden mit etwa sechs bis sieben Windungen
. Dieser Spiralfaden sitzt gewöhnlich, wie die Fig. 14, 16, 17 zeigen, lose an und reicht sogar vorn bis
auf das Spitzenstück hinaus; das hintere Ende des Spiralfadens reicht ungleich weit nach hinten und ist verschieden
lang (Fig. 14, 15, 16, 17); hinten wird er dicker und endigt oft mit einem Klumpen oder einem schmäleren
Zungenstück. In der Fig. 22 findet man ein früheres Stadium einer sich entwickelnden Spermie, ebenfalls mit
der Anlage des noch sehr dicken und klumpigen Spiralfadens versehen.
Bei der Ausreifung der Spermien wird dieser Spiralfaden abgelöst und abgeworfen, nnd dann findet
man solche Spiralen frei im Sperma verstreut (Fig. 20, 21). Es sind offenbar solche abgelöste Spiralfäden, die
Ballowitz im Sperma von Lanius (und Oriolus) angetroffen und abgebildet hat; seine Auflassung, dass sie im
unreifen Zustande die Spermien umgeben haben, ist also auch richtig; nur enden sie nicht, wie er gemeint zu
haben scheint und seine Figuren andeuten, am hinteren Ende des Kopfes, sondern umwinden in der Eegel denselben
mit weiten Schlingen bis auf das Spitzenstück.
Die Spermien von Oriolus hatte ich bisher nicht Gelegenheit zu untersuchen. Nach Ballowitz' Darstellung
scheinen sie aber denen des Lanius sehr ähnlich zu sein.
Was nun die Spermien von Lanius in typischer Hinsicht betrifft, so gehören sie nach der obigen Beschreibung
offenbar zu demselben Typus, wie die Spermien von Corvus cornix, Pica pica und Coloeus monedula, also
zu demjenigen der echten Corvidae. Es ist diese Tatsache für die systematische Stellung der Laniidae (bzw. der
Oriolidae) nicht ohne Bedeutung. Früher fand man in den faunistischen Arbeiten in der Tat die Gattung Lanius
mit den Corvidae nahe zusammengeführt. In neuerer Zelt hat man sie aber von diesen abgetrennt und sie als
eine Farn. Laniidae, weit von den Corvidae geschieden, nach den Farn. Sturnidae, Fringillidae, Certhiidae, Sittidae,
Paridae verschoben und plaziert.1) Dies stimmt mit den Spermientypen gewiss nicht überein. Und weil der Typus
der Spermien bei den Tieren im allgemeinen, und nicht am wenigsten bei den Vögeln, sehr charakteristische Kennzeichen
von Verwandschaft und Nichtverwandschaft abgeben, sollte meiner Ansicht nach im System die Farn. Laniidae
in die nächste Nähe der Farn. Corvidae zurückgeführt werden.
Wahrscheinlich können in systematischer Hinsicht durch das Studium und die Berücksichtigung der Spermien-
formen noch andere solche Anweisungen auf die richtige natürliche Anordnung gefunden werden.
* - *
Zu der obigen Darstellung der Spermien von Coloeus und Lanius füge ich hier noch einige Mitteilungen über
Spermien von Cypselus opus und Columba livia domestica, sowie auch eine Notiz über Spermien von Molge cristata, hinzu.
Weil es mir von Interesse zu sein schien, zu erfahren, ob die Spermien von Cypselus apus (L.) oder Apus apus
(L.) dem Typus angehören, welcher seine Stellung im Systeme (Ordn. Coraciiformes, Unterordn. Cypseli) neben den
Picidae, Caprimiilgi und Striges angibt, bemühte ich mich schon seit Jahren, geeignetes Material hierzu zu be-
l) s. u. a. Einar LöXXBERG, De svenska ryggradsdjurens vetenskapliga namn, 1908.
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