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Ausbildungsperiode bis zu der Abgabe der Eichtungskörper (der Eeduktionsperiode) und noch etwas nach derselben
die intensiv grüne Färbbarkeit. Bei den Echinodermen verlieren die Keimbläschen schon in einem sehr frühen
Stadium diese Färbbarkeit und nehmen eine rötlich violette an, während sich der Nucleolus violett färbt und diese
Färbbarkeit bis zur Abgabe der grünen Chromosomen an die Zentrosomen der ersten Richtungskörperspindel, also
bis zur Reduktionsperiode, behält.
II. Die von mir hier oben kurz beschriebenen Verhältnisse in den Eiern anderer Tiere scheinen im ganzen
mit denen der Echinodermen übereinzustimmen. Dass aber bei den verschiedenen Tieren eine Reihe von Variationen
vorkommen dürfte, lässt sich bis auf weiteres annehmen; um dies sicher zu eruieren, müssen neue, eingehende
Untersuchungen vorgenommen werden.
In einer Beziehung mögen die besonders von Schaxel bei mehreren niederen Metazoen gemachten Angaben
und Befunde von einer Chromatinemission (Chromidienemission) aus dem Keimbläschen der Ovarialeier in den Ei-
körper hervorgehoben werden. Bei den Ascidien deuten in der Tat die Verhältnisse in hohem Grade auf eine
solche Emission hin. Und bei den Teleostiern kommen, obwohl weniger prägnant, Andeutungen eines solchen
Prozesses vor, welche zu weiteren Untersuchungen ermutigen.
III. Die Köpfe (die Kerne) der bisher studierten Tierspermien färben sich im Biondigemisch stets intensiv
grün. Während ihrer Ausbildung in den Hoden, der Spermiogenese, geht indessen die Färbbarkeit ihrer Chroma-
tinsubstanz eine Reihe von Veränderungen durch, welche derjenigen der Eier in mancher Beziehung ähnlich ist.
Die Stärke der Färbungsnuancen scheint aber bei den einzelnen Klassen und Ordnungen verschieden zu sein. Als
einen Typus in dieser Hinsicht wählte ich hier oben die Verhältnisse beim Menschen aus; es hat sich hierbei
gezeigt, dass in menschlichen Hodenröhren, während der Spermiogenese, die in den Teilungsphasen begriffenen
Zellen stets intensiv grüne Chromosomen darbieten; in den Stadien vor und nach den Teilungsphasen (also in den
sog. Ruhestadien) färbt sich dagegen die Chromatinsubstanz der Kerne violett oder rötlich violett. Von besonderem
Interesse ist es zu sehen, wie die Kerne der Spermiden (v. a. die der Praespermiden) stark violett gefärbt sindT
um dann in ihrer weiteren Ausbildung immer mehr grünlich und grün, sowie zuletzt bei ihrer vollen Ausbildung
zu Spermieköpfen, und zwar in ihrer hinteren dickeren Partie, intensiv grün zu werden und diese Farbe dann stets
zu behalten; hier geht also, gerade wie heim Teilungsprozesse, die violette Farbe der Chromatinsubstanz in die stark
grüne über; diese grüne Farbe bleibt aber dann bestehen.
Bei mehreren Tierarten, z. B. bei den Selachiern und Vögeln, tritt eine starke grüne Farbe nur in den
eigentlichen Mitosen und in den Köpfen der Spermien auf, bei anderen, z. B. den Uroclelen, bleibt sie dagegen
während der Teilungsstadien länger bestehen.
IV. Die Kerne der ausgebildeten Nervenzellen färben sich im Biondigemisch nicht grün; ihre Chromatinsubstanz
wird rötlich oder rötlich-violett, der Nucleolus violett. Die Kerne der Neurogliazelhn und der Ependym-
zellen scheinen sich noch im fertigen Zustande in der Regel grün zu färben. Im embryonalen Zustande färben
sie sich als Neuroblasten sämtlich grün, und in sich teilenden Zellen dieser Art werden während der Mitose die
Chromosomen intensiv grün gefärbt. Indem sich Neuroblasten zu echten Nervenzellen ausbilden, tritt immer mehr
in ihren Kernen die grüne Farbe der Chromatinsubstanz zurück und eine rötliche oder violette nimmt bald überhand
. Bei gewissen Tieren, v. a. den Urodelen, hält sich die grünliche Farbe auch hier etwas länger als bei den
meisten anderen Vertebraten.
V. In den Sinnesorganen scheinen ziemlich wechselnde Verhältnisse der Färbbarkeit zu herrschen. In der
Retina färben sich also stets die äusseren Körner intensiv grün, die inneren schwächer grün und die Kerne der
eigentlichen Ganglienzellenschicht bald etwas grünlich oder bläulich, bald mehr violett oder rot, bald mit gemischten
Farben der Chromatinkörner. Auf diesem Gebiete sind aber meine Studien noch nicht abgeschlossen. Auch
in mehreren anderen Organen ist eine fortgesetzte Nachforschung nötig, um bestimmte Regeln nachweisen zu können.
VI. Nach dieser kurzgefassten Übersicht der Befunde komme ich dann zu der wichtigsten Frage zurück:
Was lässt sich aus diesen Befunden betreffs der chemischen und physikalischen Veränderungen in den Zellen und Organen
schliessen?
A us den in dem Einleitungskapitel dieses Bandes hier oben angeführten Anschauungen von Mosse, Heidenhain
u. a. Hesse sich annehmen, dass die verschiedene Färbungsaffinität der betreffenden Kernsubstanzen in erster
Linie eine wechselnde Reaktion auf den Säuregehalt anweise, indem die sich grün färbenden Substanzen basophil =
sauerer, die sich rot färbenden acidophil = mehr basischer Reaktion seien; die sich blau und violett färbenden
sind in solchem Falle als Mischlings- oder Mittelstufen dieser beiden Reaktionen zu betrachten.
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