Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., V 9622
Retzius, Gustaf
Biologische Untersuchungen
Jena, N. F. 16.1911
Seite: 96
(PDF, 39 MB)
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Dann kommt nach der oben angeführten Darstellung von Kossel und seinen Schülern, Lilienfeld u. a4j
ebensowohl wie von Pappenheim hinzu, dass es gewissermassen festgestellt ist, dass die Nukleinsäure (resp. die
Nukleinsäuren) das Methylgrün intensiv aufnimmt, während die durch Spaltungen entstandenen Eiweissstoffe zu
der roten Säurefuchsinf&rhe grosse Affinität haben. Aus dem Biondigemische nehmen sie also in solcher Weise
die verschiedenen Farben auf.

•> Nukleohislon färbt sich deutlich grünblau, mit Vorherrschung des Hauen Tones, Nuklein färbt sich blaugrün,
Nukleinsäure intensiv grün-» (Lilienfeld).

Je mehr aber das Eiweiss überwiegt, um so mehr nimmt die Aufnahme der roten Farbe aus dem Biondi-
gemisch überhand. Die Befunde von Malfatti sind auch hierbei erläuternd. Es hat sich gezeigt, dass sich die
reine Nukleinsäure rein grün, phosphorärmere Nukleine bläulichviolett, bei grosser Phosphorarmut rein rot färben.
Dieses Resultat, betont Heidenhain, ist sehr bemerkenswert, weil daraus hervorzugehen scheint, dass Nukleoproteide
von hohem Eiweissgehalt unter Umständen eine rein rote Färbung annehmen werden. In dem Basichromatin hätte
man nach ihm phosphorreiche, in dem Oxychromaün phosphorarme Nukleine vor sich. Und bei den Färbbarkeits-
veränderungen in den Kernen während der Mitose könne man schliessen, dass der Phosphor »gleichsam auf vielem
Eiweiss sitzend, in den Kern seinen Einzug hält» (Heidenhain). Hiermit hänge auch zusammen, »dass Kerne,
welche der Pegel nach nicht mehr in Mitose eintreten, häufig arm an Basichromatin, reich an Oxj^chromatin sind»,
was in erster Linie die Kerne der Nervenzellen betreffe.

Ich habe hier diese wichtigen Sätze und Perlektionen wieder angeführt, weil sie im Lichte meiner eigenen,
hier oben dargestellten Befunde in auffallender Weise erläutert und von ihnen gestützt werden.

Zwar muss man bis auf weiteres in den Schlussfolgerungen hinsichtlich der faktischen Bedeutung der Farbenreaktionen
sehr vorsichtig sein. In dem unseren Untersuchungen zugänglichen toten Material sollen ja nach den
übereinstimmenden Ansichten der Fachmänner nicht unbedeutende Veränderungen von dem lebenden Zustand eingetreten
sein. »Es können nämlich», sagt z. B. Hammaesten in seinem berühmten Lehrbuch der physiologischen
Chemie, »beim Absterben der Zelle durch chemische Umsetzungsprozesse neue Stoffe entstehen und es können
dabei auch physiologische Zellbestandteile verbraucht werden oder in die umgebende Flüssigkeit übertreten und
dadurch für die Untersuchung verloren gehen.» Aror allem können ja Spaltungen der verschiedenen Eiweissstoffe
entstehen. Die Hauptmasse der Proteinsubstanzen besteht ferner, wie Hammaesten zuerst nachgewiesen hat, in
der Tierzelle der Hauptmasse nach »nicht aus Eiweissstoffen im gewöhnlichen Sinne, sondern aus mehr zusammengesetzten
phosphorhaltigen Stoffen», während die Globuline und Albumine wesentlich als Nährmaterial der Zelle
oder als Zerfallsprodukte bei der chemischen Umwandlung des Protoplasmas aufzufassen sind. Auch protoplasmareiche
Zellen enthalten in der Pegel wenig echtes Eiweiss; neben Spuren von Albumin und ein wenig Globulin
finden sich im Protoplasma hauptsächlich Nukleoalbumine und Proteide; die Proteide sind meistens Nukleoproteide,
die sich von den Nukleoproteiden des Kernes dadurch unterscheiden, dass sie arm an Phosphor sind. Die Nukleoproteide
der Kerne sind dagegen, wie Kossel und Lilienfeld gezeigt haben, reich an Phosphor und von stark
saurem Charakter. Der Zellkern besteht aus einer homogenen Substanz (dem sog. Kernsaft), die man als ein Gemenge
von Eiweissstoffen betrachtet und einem Netzwerk; dieses scheint die dem Kerne mehr spezifischen Bestandteile
zu enthalten, nämlich die Nukleinsubstanzen, und ausserdem eine andere Substanz, das Plastin. » Als Hauptbestandteile
des Zellkernes sind jedenfalls zu betrachten: die Nukleoproteide und in einzelnen Fällen die Nukleinsäuren
.» (Hammaesten)

Diese von chemischer Seite her gemachten Angaben sind hier zum Vergleiche mit den morphologischen
Befunden angeführt worden.

Leider weiss man aber nicht, wie weit sich die Veränderungen der Zellbestandteile in chemischer Beziehung
nach dem Tode erstrecken. Man kennt aber auch nicht, wie weit sich die morphologischen Veränderungen nach
dem Tode schätzen lassen. Nach meinen eigenen Erfahrungen - - und ich besitze nunmehr ziemlich grosse Eeihen
von solchen — hat man bei bester Fixierung (z. B. mit Carnoyschem Gemisch) von ganz lebendigen, aus den
lebenden Tieren direkt in die Fixierflüssigkeit gebrachten kleinen Körperteilen im allgemeinen eine grosse Aussicht,
die normale Struktur zur näheren Untersuchung aufzubewahren. Ich meine deshalb, dass man in solchen Fällen
die Gefahr, namhafte morphologische Veränderungen und Umgestaltungen in der Struktur der Zellen und der Gewebe
zu bekommen, allzu stark übertrieben hat. Meiner Erfahrung und Meinung nach bekommt man unter den
angegebenen Bedingungen in den meisten Fällen ungefähr die Struktur zur Ansicht, welche die betreffenden Teile
schon im lebenden Zustande hatten, obwohl sie in diesem leider so schwer wahrnehmbar sind. Vielleicht ist dies


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