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mitom entspricht und übrigens rundliche oder ovale Vakuolen enthält, in denen eine andere helle Substanz gelegen
ist. Bei der Zytolyse der Eier trennen sich diese Substanzen mehr oder weniger voneinander, wonach man das
Fadengeflecht ausserordentlich deutlich wahrnimmt.
7. In den Eiern von Asciclia intestinalis (Ciona canina 0. F. Müller), in denen auch das geflechtartige Fadenwerk
des Mitoms, sowie die Paramitonisubstanz deutlich hervortreten, bemerkt man an den Ovarialeiern in einer
gewissen Periode die oben besprochene Ansammlung einer anderen Substanz, welche in den Biondipräparaten
noch bestimmter erscheint, und die auf eine Chromidienemission im Sinne Schaxel's hindeutet. Auch in den
Gobiuseiern kommen Andeutungen zu einem solchen Prozesse vor.
8. Was dann die Frage von dem Protoplasma in den Nervenzellen betrifft (s. oben Abteil. Nr. 8), so lässt
sich in den jüngeren Zellen während ihrer Ausbildung hier und da ein deutliches, feines, gewundenes, gekörntes
Fadenwerk nachweisen, welches in einer hellen Substanz eingeschlossen liegt. Aber auch in den voll ausgebildeten
Nervenzellen (motorischen Kückenmarkszellen, Cerebrospinalganglienzellen, Purkinjezellen) sind solche gekörnte
Fäden vorhanden, welche in der hellen Grrundsubstanz, zwischen den Nisslkörnerschollen und den Neurofibrillen-
zügen, in verschiedenen Richtungen, bald mehr gewunden, bald mehr gerade verlaufen, mehr selten aber eigentlich
reichlich vorkommen. Diese Fäden, welche nicht netz-, sondern geflechtartig angeordnet und hier und da
dichotomisch verästelt sind, entsprechen deutlich dem Mitom von Flemming und sind offenbar von ihm schon längst
wahrgenommen und geschildert. Aber auch in den Axenzylindern sind, teils schon in dem Abgangskegel, teils in
ihrem späteren Verlaufe, solche gekörnte Fäden, und zwar gewöhnlich in ziemlich gestrecktem Verlaufe, nachweisbar
; sie sind sicherlich zwischen den Neurofibrillenbündeln gelegen und folgen grösstenteils ihrem Verlaufe.
9. Was nun aber die hochwichtige Frage von der Bedeutung und der Aufgabe des morphologisch wahrnehmbaren
Fadengeflechts im Protoplasma, des Mitoms, sowohl als der hyalinen Grundsubstanz, in welchem das
Fadengetiecht eingeschlossen liegt, des Paramitoms, betrifft, so haben uns leider weder die Biologen, noch die Chemiker
bisher die Kätsel enthüllen können. Die Chemie lehrt uns, dass das Protoplasma nebst viel Wasser ihrer Hauptmasse
nach im übrigen aus Proteinsubstanzen, aus Kolloiden, besteht und in der lebenden Zelle gegen Lackmus
alkalische Keaktion zeigt, sowie ferner, dass die fraglichen Proteinsubstanzen aus einer ganzen Keihe von Ei-
weissstoffen bestehen, aber »nicht aus Eiweissstoffen im gewöhnlichen Sinne, sondern aus mehr zusammengesetzten
phosphorhaltigen Stoffen» (Hammarsten). Während der Zelltätigkeit gehen auch Umsetzungen vor sich.
Welche Stoffe sich aber in dem Mitom und in dem Paramitom finden, ist uns bis auf weiteres unbekannt;
aller Wahrscheinlichkeit nach können sie auch in verschiedenen Zellarten und unter verschiedenen Zuständen der
Zellen wechseln. Die michrochemischen Methoden, vor allem die Färbungsmethoden, möchten uns in diesen Beziehungen
doch etwas leiten können; bisjetzt ist aber dies nicht, oder nur in geringem Masse gelungen. Falls es
z. B. möglich wäre, nachzuweisen, dass im Protoplasma die Körnchen des Mitoms, die Mikrosomen, als Regel
Chromatin enthalten, hätte man doch wenigstens einen Hinweis, aber nicht viel mehr. Denn, was ist Chromatin?
Es ist ja eigentlich nur ein morphologischer, nicht ein echt chemischer Begriff. Wir wissen, dass sich in den
Kernen »Chromatin» findet, welches sich mit gewissen färbenden Substanzen tingiert, sowie dass sich auch gewisse
chemische Stoffe mittelst gewisser Färbungsmethoden nachweisen lassen. Hier oben ist aber eingehend dargelegt
worden, dass diese Färbungsreaktionen gerade in den Kernen bei verschiedenen Zuständen in der Wirksamkeit der
Zellen in besonderer, meistens sogar konstanter Weise wechseln. Die Chromatinsubstanz der Kerne zeigt also, wie
schon M. Heidenhain gefunden hat, in ihren Chromosomen während der Teilungsstadien konstant Reaktion auf
Nuklein (resp. Nukleinsäure); in den Phasen vor und nach denselben, in den Ruhephasen, aber nicht, indem hierbei
Veränderungen in der chemischen Zusammensetzung vorsichzugehen scheinen. Das »Chromatin» verändert sich
oder »maskiert» sich während dieser Stadien. Im Protoplasma hat man solche »Veränderungen» nicht, oder nur
wenig entdecken können. Indessen weisen die von mehreren Forschern in den Ascidieneiern gemachten Befunde
von basophilen Stoffen im Protoplasma auf die Möglichkeit hin, auch in diesem durch Färbungen eine gewisse Art
von »chemischer Analyse» auszuführen. Und die Chromidienemission Schaxel's in diesen Eiern scheint diese
Frage noch ein Stück weiter führen zu können. In dieser Richtung wird hoffentlich bald weiter gearbeitet werden.
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