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Anzahl nicht nur in verschiedenen Muskeln, sondern auch in den verschiedenen Partieen desselben Muskels verschieden
ist, kommen nur an einigen wenigen beschränkten Stellen mit den Muskelfasern in Berührung und
verbinden sich durchaus nicht in der Gesammtlänge derselben mit ihnen. Die feineren Endäste der Nerven
bilden Anastomosen, sogenannte Endplexus, mit bald engeren, bald weiteren Maschen, aus denen Nervenprimitiv-
fasern hervorgehen, die nach Einigen sich in Endschlingen vereinigen, nach Andern dagegen frei endigen sollen.
In dem unwillkürlichen Muskelgewebe sind Theilungen der Nervenprimitivfasern beobachtet worden.
Verbindimgstheilc imd Hülfsorgaue der Muskeln. Die Muskeln verbinden sich mit den beweglichen Gebilden (Knochen,
Knorpeln, Gelenkkapseln, Haut) entweder direct, oder durch Vermittelung von fibrösen Organen (Sehnen, Sehnenhäuten, Muskelbinden
und Bändern). Bei der directen Verbindung enden die Muskelfasern stumpfzugespitzt an der Knochen - oder Knorpelhaut,
ohne in deren Fasern sich fortzusetzen; gehen sie in die .Haut über, dann strahlen sie mit divergirenden Bündeln in dieselbe
aus. — Die Sehnen oder Flechsen, tendines, welche aus sehr verdichtetem Bindegewebe mit einigen elastischen Fasern bestehen,
kommen als strangförmige (die eigentlichen Sehnen) und als hautartige (Aponeurosen) vor und haben eine glänzende weisse, bläuliche
oder gelbliche Farbe. Sie besitzen nur spärliche Blutgefässe, keine Lymphgefässe und keine Nerven. Die Verbindung der
Sehnen mit dem Muskelgewebe geschieht entweder so, dass Sehnen und Muskeln geradlinig in einander übergehen, wobei die Muskelbündel
sich unmittelbar (ohne scharfe Grenze) in Sehnenbündel fortsetzen, oder dass die Muskelfasern mit abgerundeten Enden
unter spitzen Winkeln an die Bänder und Flächen von Sehnen und Aponeurosen anstossen. Im letztern Falle zeigt sich eine
scharfe Grenze zwischen Muskel- und Sehnengewebe und die Muskelfasern enden hier meist schief abgestutzt mit leicht kegelförmig
vortretender Endfläche. Die Verbindung zwischen beiden Geweben ist dadurch eine sehr innige, dass sich die Enden der Primitivmuskelbündel
in kleine Grübchen der Sehnenoberfläche einsenken und das Bindegewebe der ersteren sich continuirlich in das der
letzteren fortsetzt. Die Verbindung der Sehnen mit Knochen, Knorpeln, fibrösen Häuten, Bändern und Synovialhäuten geschieht
entweder indirect (durch die Knochen- und Knorpelhaut) oder direct, wo dann die Sehnenbündel unter schiefen oder rechten
Winkeln an der Oberfläche der Knochen, Knorpel etc. anhaften. — Die Muskelb inden, fasciae, sind dünne fibröse, mehr oder
weniger elastische Häute, welche theils alle Muskeln eines Gliedes, theils grössere Muskelpartieen und auch einzelne Muskeln umhüllen
, um diese genauer in ihrer Lage zu befestigen und Fasern derselben zum Ursprünge zu dienen. Die Scheidewände, welche Fascien
zwischen einzelnen Muskelpartieen nach einwärts machen und die sich an Knochenrändern anheften, werden ligamenta intermus-
cularia genannt, während man die bandartig gebildeten Fascien, welche Sehnen einpferchen, Ugamenta muscularia nennt. Zu ihnen
gehören die ligg. carpi volaria^ die trochlea, retinacula tendinum ligg. vaginalia tendinum (der Zehen- und Fingerbeuger). Die dünne
Muskelbinde, welche dicht unter der Haut liegt und die ganze äussere Fläche des Muskelsystems überzieht, heisst Fascia superficialis
s, subcutanea. — Sehnenscheiden, vaginae tendinum, umgeben röhrenartig die langen Sehnen gewisser Muskeln
der Extremitäten. Sie bestehen aus verdichtetem Bindegewebe, dessen innere, der Sehne zugewendete Fläche mit einer Schicht
pflasterförmiger Epithelialzellen überzogen ist, was aber auch mit der äussern Fläche der sich in der Scheide bewegenden Sehne
der Fall ist. Man hielt früher diese Köhren für seröse, geschlossene Synovial- oder Schleimscheiden {vaginae synoviales), weil
sich in ihnen eine colloide Flüssigkeit vorfindet. Schleimbeutel, hursae synoviales s. mucosae, stellen mit einer zähen, colloiden
Flüssigkeit erfüllte Säcke aus Bindegewebe mit einem pflasterförmigen Epithelialüberzuge an ihrer innern Oberfläche dar, welche
sieh da im Muskelsysteme finden, wo Muskeln oder Sehnen an Hartgebilden oder an andern Muskeln und Sehnen sich reiben. —
Faser- oder Sesamknorpel sind faserknorplige Massen, welche in den Sehnen einiger Muskeln da vorkommen, wo diese in
Sehnenscheiden verlaufen.
Gestaltung' der Muskeln. — A. Die hohlen oder organischen Muskeln erscheinen in 3 Formen, nämlich 1) als Hohlmuskeln,
welche ununterbrochene Schichten sich in verschiedener Richtung durchkreuzender Fasern bilden und eine Mengung des Inhalts ihrer Höhle bewirken
; — 2) als Eingmuskeln, deren Fasern einzeln genommen den Abschnitt eines Einges bilden, in der Wandung eines Canales mehr schräg
als quer liegen und bei ihrer Contraction den Inhalt des Canales fort- und austreiben; — 3) als Längenmuskeln, welche sich der Länge nach in der
Wand eines Canales hinerstrecken und dessen Inhalt langsam forttreiben. — B. Bei den soliden oder sogenannten animalischen Muskeln heisst diejenige
Stelle, welche bei der Zusammenziehung des Muskels in unveränderter Lage bleibt, der feste oder Befestigungspunct, punctum
fixum s. adhaesionis, oder weil der Muskel hier entspringt, der Ursprung, origo; gewöhnlich ist dieser ein Knochen, seltener ein Knorpel
oder sehniger Theil. Die zu bewegende, also der festen entgegengesetzte Stelle, an welcher sich der Muskel endigt und ansetzt, heisst der An-
satzpunct, punctum mobile s. insertionis. Bisweilen sind beide Puncte beweglich und dann hat der Muskel eine doppelte Wirkung,
indem jeder Punct sowohl den festen als den beweglichen abgeben kann. An jedem dieser Muskeln (mit Ausnahme der ringförmigen) unterscheidet
man 3 Theile, die beiden Enden und den Körper. — a. Kopf, caput, des Muskels, ist sein oberes, an den festen Punct angeheftetes Ende,
sein Anfang. Er kann ein- und mehrfach sein; im letztem Fall bleiben die von 2 oder mehrern Puncten entstehenden Theile des Muskels in einer
kürzern oder längern Strecke getrennt, ehe sie sich zu einem gemeinsamen Bauche vereinigen. Kommen solche Köpfe von gleichartigen Theilen, so
heissen sie gewöhnlich Zacken, dentationes, fasciculi, digitationes. b. Bauch, venter s. corpus, Avird der mittlere Theil des Muskels genannt, und
kann ebenfalls ein- oder mehrfach sein. c. Schwanz, cauda, heisst das mit dem beweglichen Puncte verbundene Ende und ist gewöhnlich sehnig
(Flechse), ein- oder mehrfach. — Man zählt im männlichen Körper 315 (347 nach Thüle), im weiblichen 314 (346) willkürliche Muskeln, von weichet
die Mehrzahl wegen der symmetrischen Anordnung der beiden Körperhälften, doppelt vorhanden ist. Die unpaaren Muskeln (6 Stück, nämlich: m.
orbicularis oris, azygos uvulae, arytaenoideus transversus, spliincter ani externus, constrictor iirethrae, diaphragma) liegen in der Mittellinie, bestehen
aus 2 völlig gleichen und verschmolzenen Hälften und dienen meistens zur Verengerung von Oeffnungen. — Die animalischen Muskeln, von
denen fast jeder einzelne in Volumen, Gestalt und Verbindung von den übrigen unterschieden ist, theilt man nach ihren Hauptformen in Längen*-
Flächen- und Schliessmuskeln. 1) Längenmuskeln, mm. longi, lange oder längliche Mm., welche sich vorzüglich an der Wirbelsäule
und an den Extremitäten finden, am vollkommensten entwickelt und dem Willen am meisten untergeordnet sind. Sie können in einfache,
nur mit einem Ursprünge und einem Ansatzpuncte, und in zusammengesetzte getrennt werden. 2) Flächen- oder breite Muskeln, mm.
lati, sind dünn und platt, mehr oder weniger membranartig, kommen vorzugsweise an den Wänden von Höhlen vor, haben meist gekrümmte Fasern
und wirken häufig ohne den Einfiuss des Willens. * Ihr Ursprung ist gewöhnlich an Fascien oder langen Knochenrändern; die Köpfe sind entweder
Aponeurosen oder fleischige kurze Zacken, dentationes s. digitationes, ihre Schwänze sind meist aponeurotisch und gehen in Fascien über. 3) Schliess-
oder ringförmige Muskeln, mm. orbiculares s. spliincteres, bestehen aus gekrümmten Fasern, die mit ihrem Schwänze au den Kopf
stossen und entweder gar nicht oder nur mit einem Ende an einen festen Punct geheftet sind. Sie liegen an den natürlichen Oeffnungen der Oberfläche
des Körpers, welche sie verengern und verschliessen können. Da sie nahe an die Schleimhaut gelagert sind, auch nicht ganz parallele
sondern hin uud wieder sich kreuzende Fasern haben, so nähern sie sich den plastischen (organischen, unwillkürlichen) Muskeln, mit denen sie
auch hinsichtlich ihrer Wirkung und Gestalt übereinstimmen. — Nach den verschiedenen Arten der einfachen willkürlichen Mus-
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