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ERSTES KAPITEL.
ihren Vorstand, meist auch ein eigenes Versammlungshaus.
Brüder und Schwestern, Geistliche und Weltliche konnten Mitglieder
sein; doch gab es auch Bruderschaften rein geistlichen
•Standes, in Niedersachsen die Kalandsbruderschaften, Rechtsverbrüderungen
, um ihr Recht gegenüber ihren Obern wahrzunehmen
.
Die weltlichen Gilden waren vornehmlich Vereine zur Gewährung
des Rechtsschutzes. Ihre Hauptpflicht war, den Genossen
beizustehen, sei es vor Gericht oder außergerichtlich.
Sie übernahmen oft die Aufgabe der Geschlechtsgenossen und
rächten den Mord eines Genossen. Kein Bruder sollte vor einem
Gericht gegen einen andern Bruder das Recht suchen, wenn er
nicht zuvor die Sache vor die Gilde gebracht hatte.1 Sie übten
über ihre Genossen Gerichtsbarkeit aus. Wir besitzen eine
große Anzahl von Statuten solcher Schutzgilden in Englischen.
Dänischen, Französischen und Niederländischen Städten. Sie
bildeten hier vor Entstehung der Stadtverfassung eine freie? sich
selbstregierende und vielfach privilegierte Genossenschaft, die oft
mehr Macht besaß, als der Stadtherr. Auch in Niederdeutschland
spielen die Gilden als Kaufmannsgenossenschaften eine
große Rolle. In Süddeutschland heißen sie Einung. In den
Rheinischen Bischofsstädten, in Konstanz, Basel, Worms, Mainz
etc. finden sich solche kaufmännischen Korporationen, die ihrem
Wesen nach der Gilde entprechen. Ein anderer Ausdruck hiefür
ist Hansa, berühmt geworden durch den Hansabund; aber es
gab in Paris, in vielen Städten Nordfrankreichs, in Regensburg
unter diesem Namen kaufmännische Korporationen. In Skandinavien
ist dafür der Name Lag2 gebräuchlich.
Ihnen schließen sich die Hausgenossenschaften an, in Basel,
1 S. auch die «Alten Pflichten» VI.
2 In Schleswig kommt eine 1130 schon als alt bezeichnete Schutzgildo
der erbgesessenen Bürger vor, Hezlagh oder conviviuni genannt. Lag, lac
althochdeutsch, angelsächsisch, nordfriesisch und altniederdeutsch heißt
•sowohl Gesetz, Ordnung, als Genossenschaft. Mit Loge hat es nichts zu
tun. Dies gegen Waiden, Laienbruderschaften etc. p. 29.
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