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ZWEITES KAPITEL.
aufnahmen, verarbeiteten sie nach ihrer Weise. Sie sind die
eigentlichen Schöpfer des romanischen Baustiles. „Es sind die
Deutschen Lande und neben ihnen Nordfrankreich, die Nor-
mandie und England, Burgund und Lombardei, diese mit germanischem
Blute verjüngten, mit germanischem Geist und Wesen
allesamt, wenn auch in ungleichem Grade durchsetzten Gebiete
, in welchen der romanische Stil seine früheste Ausbildung
wie seine höchste Blüte und in ihm die Gesinnung des Mittelalters
ihre treueste baukünstlerische Interpretation gefunden hat."1
Auch in der Baukunst wie im Staats- und Bechtsleben nimmt
Karl der Große eine epochemachende Stellung ein. Er ist der
eigentliche Begründer der romano-germanischen Kultur, er ist
der Abschluß der alten Geschichte und mit ihm beginnt das
Mittelalter.
Der neue fränkische Baustil ging von den linksrheinischen
Landschaften aus; hier war die Heimat des karolingischen Geschlechts
; in Worms ist Karl der Große geboren,2 hier war, bis
er seine Residenz bleibend in Aachen fixierte, sein Lieblingssitz
und der Schwerpunkt seiner Regierung. Der wandernde Hof
war der Sammelpunkt der besten Talente, der Brennpunkt aller
Bildungsinteressen der Zeit. Von hier aus verbreitete sich die
Kultur nach allen Seiten bis in die entferntesten Winkel des
Reichs. In den dem Christentüme neu erschlossenen Gebieten
in Sachsen mußte eine große Anzahl Kirchen errichtet werden;
wenn schon viele nur aus Holz gebaut wurden, so fehlte der
Monumentalbau nicht ganz. Wohl hob dann der Zerfall der
karolingischen Monarchie die Verbindung zwischen den ehemaligen
Reichsteilen auf, jede Provinz ging nun ihren eigenen
Weg und verfolgte Sonderziele, allein die Kirche bewahrte dennoch
den geistigen und kulturellen Zusammenhang der Länder
1 G. Dehio und G. von Bezold, Die kirchliche Baukunst des Abendlandes
. I. Stuttgart 1692. p. 147.
2 H. Boos, Geschichte der rheinischen Städtekultur. 2. Aufl. Berlin.
1897. p. 1, 176 f.
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