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DIE BAUKORPORATIONEN IM MITTELALTER.
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und leerer Konvention. So einfach und gleichförmig ihre Grundelemente
sind, liegt in der Behandlung des einzelnen Werkes
immer persönliche Bestimmtheit und seelische Wärme, und man
hat das Gefühl, daß der Priester wie die Gemeinde sich
gleichmäßig wohl fühlen in diesen schlichten aber weihevollen
Räumen."1
Die verschiedenen Gegenden zeigen auch in der Baukunst
bestimmte provinzielle Sonderheiten. Der Hauptunterschied ist
der, daß von Frankreich aus der Gewölbebau sich am Rhein
und in Süddeutschland ausbreitete, während in Sachsen und
Bayern die flache Holzdecke sich noch bis 1200 behauptete.
Der Papst hatte gar keinen Einfluß auf die Baustile; in Italien
war die Bauführung ganz in den Händen der Laien. Doch
fehlte es hier nicht an zahlreichen Kirchen, die weit über die
Bedürfnisse der verminderten Bevölkerung hinausging; man begnügte
sich wesentlich mit der Erhaltung der vorhandenen
Baudenkmäler. Dagegen erwachte der kirchliche Geist in Frankreich
im 9. Jahrhundert in ungewöhnlicher Stärke. Wetteifernd
wurde hier gebaut, namentlich Wallfahrts- und Klosterkirchen,
die hier die Kathedralen an Größe und Pracht bisweilen übertrafen
. Frankreich ist das klassische Land des Klosterwesens;
all die berühmten Mönchsorden, Cluniacenser, Prämonstratenser.
Cisterzienser, Karthäuser, Dominikaner etc. sind hier entstanden
und haben von hier aus die Welt erobert. Den größten Ruhm
gewann im 10. Jahrhundert Cluny, das die Augustinische Lehre
von der Weltentsagung und Abtötung des Fleisches in eigentümlicher
Weise verwirklichte; im Grunde genommen nur eine
andere Form der Weltherrschaft. Denn die religiöse Doktrin
Clunys ging nicht allein auf eine Reform des Mönchtums aus,
sie wollte die ganze Kirche reformieren. Mit fanatischem Eifer
bekämpfte Cluny die Priesterehe und die Simonie und drängte
den gesamten Klerus dem Papst in die Arme. Im IL Jahrhundert
war Cluny die erste geistige Macht in Europa, dessen
1 Dehio und Bezold 1. c. I, 205.
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