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ZWEITES KAPITEL.
erste bekannte Baumeister Jakob, der 1374 starb, besaß, obgleicl
ein Laie, eine geistliche Pfründe; diese bildete seinen Jahres-
gehalt; daneben wurde ihm noch ein Taglohn bezahlt, und zwai
höher oder niedriger, je nachdem er entweder den Bau leitete
oder Steine meiselte. Unter ihm arbeiteten 3—7 Gesellen nebsl
einigen Lehrjungen. Die Bauhütte tritt uns in den Akten als
der Ort entgegen, wo die Bausteine zugerichtet wurden. Gegen
Ende des 15. Jahrhunderts kam dann das Akkord- und Submissionswesen
auf und damit auch der Verfall der Kunst. Dei
eine Meister war oft an zwei und mehr Orten tätig. Denn das
Bauen ging außerordentlich langsam vor sich, da man sich nach
den vorhandenen Geldmitteln strecken mußte. Fehlten diese, sc
stockte der Bau oft Jahre lang, bis dann wieder ein neuer Aufschwung
kam. Den allgemein verbreiteten Vorstellungen, daß
bei einem Kirchenbau eine große Anzahl von Bauleuten, Steinmetzen
etc. tätig gewesen sei, widersprechen die Tatsachen, und
das meiste, was die Schriftsteller wie Heideloff, Fallou, Winzer,
zum Teil auch Janner über die Organisation der Bauhütten mitzuteilen
wissen, beruht auf reiner Phantasie oder falscher
Konstruktion. Die Deutschen Bauhütten haben weder den gotischen
(oder germanischen!)1 Baustil erfunden und ihn in andern
Ländern verbreitet, noch waren die Bauhütten Bauschulen, in
denen die Geheimnisse der Gotik gelehrt wurden, noch viel
weniger waren sie Bewahrerinnen einer tiefsinnigen Geheimlehre
und Symbolik. Von Stuhlmeistern, tiefsinnigen Gebräuchen,
Graden und Ritualen ist nirgends in gleichzeitigen Urkunden
eine Spur zu finden, und vollends die Liebhaber der Bauhütten
muß man preisgeben. Man bedenke doch nur den Stand und
den Bildungsgrad dieser Leute, einfacher Arbeiter, die keine
höhere Bildung besaßen als andere Handwerker auch. Überhaupt
wo es auf manuelle Geschicklichkeit ankommt, tritt das
geistige Leben zurück. Das Steinhauergewerbe wurde gelernt
1 S. Findel 1. c. p. 45. Siehe jetzt den Excurs bei Dehio und ßezold
2. c. II, 8 ff.
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