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ZWEITES K1PITEL.
Von den 25 Gesellen waren nur 2 Niederdeutsche. Eine zweite
Hüttenversammlung fand am 9. April 1464 in Speier statt. Die
neue Ordnung wurde von Hütte zu Hütte gesandt zur Eintragung
der Namen. Auf dem Regensburgertag war Jost Dotzinger von
Worms, Meister zu Straßburg, zum obersten Richter gewählt
worden, wahrscheinlich weil Straßburg als die vornehmste Bauhütte
galt. Sieht man die Namen der in Regensburg versammelten
Meister an, so bemerkt man bald, daß sie zu einander in enger
persönlicher Beziehung standen. Es war ein wahrer Rattenkönig
von Freundschaften und Vetterschaften in Regensburg zusammen,
der sich um den Straßburger Meister gruppierte und sich die
wichtigsten Bauhütten untertänig zu machen suchte.1 Die Familien
Ensinger und Böblinger bildeten eine reine Baudynastie,
die keinen andern Meister, der nicht zu ihnen hielt, aufkommen
ließ. Aus politischer Notwendigkeit schuf man nicht einen
Mittelpunkt, wie offenbar die leitenden Kreise wollten, sondern
deren vier, gemäß der politischen Gestaltung der Territorien im
Deutschen Reich. Osterreich und die Schweiz bildeten eigene
Provinzen, Köln wahrte sich das Vorrecht für den Niederrhein.
Straßburg hingegen beanspruchte eine Vorherrschaft über das
ganze Gebiet der Erzdiözese Mainz sowie über Thüringen,
Sachsen, Meissen, Frankfurt und Hessen. Doch blieben das
fromme Wünsche, denn die in Torgau 1462 versammelten Meister
und Parlierer wollten nichts davon wissen, indem der Kurfürst
Herzog Friedrich der Weise eine fremde Gerichtsbarkeit über
seine Untertanen niemals geduldet hätte. Deshalb erließ er 1464
eine eigene Hütten Ordnung. Auch anderswo erkannte man die An-
\ maßung der Straßburger Hütte nicht an, und am allerwenigsten
waren die städtischen Behörden dazu geneigt, sondern sie zwangen
die Mitglieder der Hütte der Zunft beizutreten.2
1 S. die inhaltsreiche Schritt von C. Gurlitt, Kunst und Künstler am
"Vorabend der Reformation Halle 1890 p. 41 ff.
2 L. Keller, Die Bauhütten und die Hüttengeheimnisse in Monatshefte
der Comenius-Gesellschaft VII. 1898, 33 ein Aufsatz, der von kühnen Behauptungen
wimmelt. Boos 1. c. III, 107, 271 ff.
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