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DIE BAUKORPORATIONEN IM MITTELALTER.
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In den Städten, den Mittelpunkten geistigen Lebens, war der
Klerus der tiefsten Verachtung anheimgefallen. Daher hielten
-diese Städte, als Ludwig vom Papste gebannt wurde, getreulich
.zum Kaiser. „Kaiser Ludwig," erklärten sie, „pflegt das Recht
und strebt nach Gerechtigkeit." Auf Grund der h. Schriften
wollten sie Stellung im Kampfe nehmen. „Als der Baumeister
und Bildner der Welt nach seinem unerforschlichen Plane das
Gebäude unserer Welt in weisem Vorausschauen zu errichten
beschloß, da hat er zwei große Lichter unter des Himmels
Firmament gestellt und ihnen ihre Funktionen so zugeteilt, daß
durch ihren wirkenden Dienst uns, die wir auf der Erde wohnen,
des doppelten Lichtes Klarheit leuchte, und dies so, daß, obwohl
Jedes auf das Andere Bezug hat, doch eins das andere
nicht beeinträchtige, im Gegenteil Jedes, indem es seine Bewegung
und seinen Lauf im Weltenrund gleichmäßig bewahre,
das Andere in seinem Bestand und seiner Kraft stärke und erhalte
etc."1 Diese Ausdrucks weise ist nun allerdings sehr auffallend
. Fabricator mundi d. i. Baumeister der Welt, machina
huius seculi, dispositio d. i. Bauriß, columna, basis fundamentum,
structura, stabilire etc. sind alles Ausdrücke, die auf die Baukunst
hinweisen, und Keller glaubt daher schließen zu dürfen,
daß die Verfasser dieser Schreiben jenen Kreisen der Bauhütte
angehörten. Diese Bauhütte sei jedoch von Waldensischem
Geist erfüllt gewesen. Lichter unseres Heiles (luminaria nostoe
salutis) bedeuten, meint Keller, nicht die Bilder des Weltalls,
Sonne und Mond, sondern nach Altwaldensischem Sprachgebrauch
das äußere Licht und das innere Licht, die den Weg zum Heile
führen und leiten. Das innere Licht oder die innere Offenbarung
soll die Offenbarung des Wortes im Herzen des Menschen
und die Stimme des Gewissens sein, die das Sittengesetz ankündigt
; die äußere Offenbarung ist die heilige Schrift
1 S. Preger in Abhandlungen der 3. Klasse der k, ßajr. Akademie der
Wissenschaften XIV, 1, 69 ff. Keller 1. c. 115 ff.
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