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ZWEITES KAPITEL.
oder das Gesetz und das Evangelium. So schön diese Auslegung
ist, so wenig ist sie gegen Einwürfe gesichert. Nach der im
Mittelalter allgemein giltigen Auffassung bedeuten die beiden
Lichter Sonne und Mond, und der Sonne entspricht die geistliche
Gewalt, der Papst, dem Monde die weltliche, der Kaiser.1
Darum heißt es in unsern Kitualen: „So wie die Sonne den
Tag und der Mond die Nacht regiere, so soll der Meister die
Loge regieren." Die Freimaurerei will nichts mit Staat und
Kirche zu tun haben; die Loge tritt als drittes Licht neben
die beiden andern.
Im 14. Jahrhundert machte eine wunderbare Persönlichkeit
am Oberrhein viel von sich reden, der Gottesfreund vom Oberlande
,2 der, obgleich seinen Anhängern unbekannt, doch eine
große antikirchliche Gemeinde um sich sammelte. Da dieser
Gottesfreund in seinen Briefen so viel vom Bauen spricht, so
hat man in ihm ein Mitglied der Bauhütte erkennen wollen/
Ein Beweis dafür wäre auch seine Vorliebe für Johannes den
Täufer und Johannes den Evangelisten. Der St. Johannistag
und die St. Johannisnacht spielen bei ihm eine große Rolle,
namentlich in den symbolischen Andeutungen seiner Entschlüsse,
die er in Träume kleidet. Nach der landläufigen Annahme soll
St. Johannes der Täufer der Schutzpatron der Bauhütte gewesen
sein. Am 24. Juni pflegte man die Bauhütte mit Laub
zu schmücken und mit Kränzen zu verzieren. Tatsächlich verehrten
jedoch die deutschen Bauleute die heiligen vier Gekrönten
als ihre Schutzpatrone, aus dem einfachen Grunde, weil
diese vier Gekrönten laut der Legende Steinmetzen gewesen
waren, die unter dem Kaiser Diokletian am 8. November den
1 Waiden, Die drei Lichter und die drei Säulen 1 ff..
2 S. H. Boos, Klosterleben im Mittelalter in Festschrift zur Feier der
Vereinigung von Groß- und Klein-ßasel. Basel 1892.
3 Keller 1. c. p. 210 ff.
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