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DIE GEHEIMEN GESELLSCHAFTEN IM 17. JAHRHUNDEKT. 55
aufs engste zu verbinden und ihnen unwandelbare Treue bis in
den Tod, ja über den Tod hinaus zu wahren. Andrese stand
mit Unzähligen in Deutschland, der Schweiz und Frankreich im
intimen Briefwechsel und gewann durch seine zahlreichen Schriften
warme Verehrer, freilich auch viele Todfeinde, weil er sich
zum Richter über die Sünden seines Zeitalters aufwarf und seinen
Mitlebenden gewaltig ins Gewissen redete. Sein ausgesprochenes
satyrisches Talent verstärkte die Wirkung dieser teils lateinisch,
teils deutsch geschriebenen Bücher, die vorzüglich gegen das
verkehrte gelehrte Treiben, gegen das Verderbnis der Gymnasien
und Universitäten und ihrer Lehrer, gegen die literarische
Barbarei und Pedanterie gerichtet sind, die aber trotz den
Stacheln, die sie im Gemüt der Leser zurückließen, wieder durch
ihren Ideenreichtum und echt christlichen Geist versöhnten. Obwohl
er kein größeres gelehrtes Werk hinterlassen hat, besaß
er doch volles Verständnis für die echte Wissenschaft, die sich
auf die Erfahrung aufbaut, und war darum aller Schwärmerei,
wie sie damals im Schwange ging, abhold.
Eine Fülle neuer Gedanken, Entdeckungen und Erfindungen
flutete seit dem Ausgange des 15. Jahrhunderts über Europa.
Der menschliche Geist war nicht im Stande, diese Überfülle zu
verarbeiten, sie verwirrte ihn, die Phantasie wurde gewaltsam
überreizt und das Jenseitige gewann von neuem die Herrschaft
über die Menschen. Epidemisch verbreitete sich der Wahn des
Hexenglaubens über die Länder nördlich der Alpen;1 Astrologen
und Alchimisten, Goldmacher und Zauberer wurden nun mehr
und mehr Meister über die betörte Menschheit.2 Nur wenige
wußten ihre Sinne klar zu behaupten und zu diesen wenigen
gehörte eben Andrere, der das anschaulichste Bild von dem
1 S. darüber J. ßurckhardt, Kultur der Renaissance. 3. Aufl. p. 297 ff.
2 Eine typische Erscheinung ist der Basier Thurneyssen s. über ihn
Janssen, Geschichte des D. Volkes VI p. 452 ff. Bei der Schilderung
geistiger Strömungen reicht die mechanische Methode Janssens nicht aus.
Besser bei H. Kopp, Die Alchemie in älterer und neuerer Zeit. Heidelberg
1886. I, 107 ff.
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