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DRITTES KAPITEL
Sie übertrumpfte noch der angebliche Irenaus Agnostus,1 der
sich in zahlreichen Schriften als besten Kenner der Rosenkreuzer
ausgab und diesen alle möglichen wunderbaren, meist aber lächerlichen
geheime Kräfte andichtete. Dadurch stieg die Verwirrung
auf den höchsten Grad. Für die einen galt der Name Rosenkreuzer
als eine große Ehre, für die andern als größter Schimpf.
Wer irgendwie aus dem gewohnten Geleise des Lebens trat und
höheren Zielen zustrebte, wurde als Rosenkreuzer gebrandmarkt.
So ging es dem Gottesmanne Johann Arndt, so seinem Freunde.
Anclreae.
Und dieser Andrew soll die berüchtigten Schriften: die
„Generalreformation", die „Fania" und die „Confession" verfaßt
haben!2 Und weßhalb? Weil er sich in seiner Lebensbeschreibung
zur Autorschaft der „Chymischen Hochzeit" bekannt hatte.
Wohl läßt sich eine gewisse Verwandtschaft der Tendenz in der
„Chymischen Hochzeit" und der „Fama" nicht verkennen, aber
anderseits zeigen beide Schriften wieder so große Verschiedenheiten
, daß sie kaum einem Autor zugeschrieben werden können.
Die „Chy mische Hochzeit" ist nichts als ein Spiel mit den Abenteuerlichkeiten
jener Zeit, die „Fama" trägt hingegen einen viel
ernsthafteren Charakter zur Schau. Warum hätte Andreas sich
nicht später als Autor dieser Schrift bekennen dürfen, nachdem
seit 1620 die Erregung sich gelegt hatte? Den Gedanken, daß
Andrew durch die „Fama'' die Gründung einer geheimen Gesellschaft
habe veranlassen wollen, muß man weit abweisen. Schon
die der „Fama" vorgesetzte „Generalreformation" hätte von einer
solchen Idee abschrecken müssen. Selbst solche, welche die in
der „Fama" niedergelegte Idee mit Eifer ergriffen, wie Julianus
de Campis und Michael Maier, nahmen an der „Generalreform"
Anstoß. Diese „Generalreform" ist aber lediglich eine Übersetzung
einer Satyre des Italieners Trayano Boccalini in dessen Ragguagli
1 Katsch 1. c. p. 271 ff.
2 ßegemann, J. V. Andrese und die Rosenkreuzer in Monatsheften der
Coinenius-Geselischaft VIII, 145 ff.
3 Katsch 1. a. 149 f.
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