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VIERTES KAPITEL.

dichtet, sei es, daß sie durch Tradition überliefert sind; sie ist
Religion, wenn sie von Staates wegen festgestellt, Aberglaube,
wenn sie nicht von Staates wegen festgestellt ist".1 Ihm ist der
Staat alles, die Kirche nichts, der Religion gegenüber verhält
er sich ganz indifferent. Er ist zugleich der Urheber jener
religiösen Heuchelei, wie sie in England noch heute üblich ist,
wonach die Religion notwendig ist, um das Volk in Gehorsam
zu halten. Die höheren Stände dürfen so freigeistig denken
wie sie wollen, äußerlich wenigstens sollen sie den kirchlichen
Institutionen Hochachtung bezeugen. Spekulative Philosophie
hält in England seit Hobbes Tagen jedermann für überflüssig
und höhnt sie als einen Germanismus.2 Ein gemäßigter Egoismus
, der sich mit dem Christentum trefflich abfindet, ist in allen
Schichten der Englischen Gesellschaft als einzige Grundlage der
Moral für den Einzelnen, wie für den Staat anerkannt.3

Zur Zeit der letzten Stuarts stand die geistige Kultur trotz
aller Fortschritte der Naturwissenschaften auf einem äußerst
tiefen Niveau, die Justiz war eine barbarische und die Strafen
fürchterlich.4 Martern, Köpfen, Vierteilen, Auspeitschen gehörten
zu den alltäglichen Schauspielen, und das Gefühl war so roh
und abgestumpft, daß sogar die vornehmsten Damen solchen
Exekutionen, die oft genug die Scham verletzten, mit Begier
beiwohnten und sich an den Qualen der Gemarterten weideten.5

Der Aberglaube war kraß, und er wurde von der Geistlichkeit
mit Absicht gepflegt. Noch 1712 wurden Hexen gehängt
und erst 1736 das Gesetz über die Hexerei aufgehoben. 1634

1 Leviathan cap. 6 (Opera lat. ed. Malesworth III p. 45): Metus poten-
tiarum invisibilium, sive fictae illae sint, siye ab historiis acceptse sint publice,
religio est; si publice acceptse iiod sint, superstitio.

2 S. namentlich bei Buckle, History of the civilisation I Einleitung und
II Schottland.

8 Lange 1, c. I, 253 f.

4 Damit hängen die fürchterlichen Eide in den alten Englischen Ritualen
zusammen; sie entsprechen der damaligen Denkweise und Sitte s. Waiden
, die alten Eide der Freimaurer. Berlin 1889.

* Taine, Histoire de la litt, ang]. III, 22.


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