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DIE MORALPHILOSOPHIE UND DAS TOLERANZPRINZIP IN ENGLAND. 89
Das Symposium Piatons diente ihm als Muster. Es handelte
sich um eine Sokratische Gesellschaft, die für ihre Symposien
eine Liturgie besaß, deren Kenntnis zugleich den Ausweis der
Zugehörigkeit zur Gesellschaft bildete.1
Mäßig sollen die Sokratischen Gesellschaften der Pantheisten
sein, nicht luxuriös und der guten Sitte widersprechend, nicht
schlemmender Genußsucht gewidmet, sondern der Belebung
freundschaftlicher Unterhaltung. Übermaß im Weingenuß, sowie
alle Glücksspiele sollen verpönt sein. Harfenmädchen, Zitherspielerinnen
und Tänzerinnen sollen gleich den gewerbsmäßigen
Possenreisern dem Tische der Genossenschaft fernbleiben. „Die
Würze des Mahls bilden geistvolle Gespräche und feiner Scherz.
Gleichwie die Mahlzeit frugal, so soll auch das Tischgeräte einfach
und anständig sein. Finsterer Ernst sei verbannt, heiteres
Angesicht willkommen. Aber erst dann, wenn die Aufwärter
und Diener, die ja nicht hingehörige und ungelehrte Leute sind,
sich entfernt haben und man die Türe, wie dies ja auch bei
den Alten Sitte war, wohl verschlossen hat, dann werden mannigfache
Unterhaltungen über mannigfache Gegenstände angeknüpft.
Irgend eine plötzlich hingeworfene Frage wird dem Kreise zur
Beantwortung überlassen, gerade wie im Gastmahl des Piaton
geschah, oder es besprechen einzelne, nach dem Muster von
Xenophons Gastmahl, Themata, die sie sich selbst oder andere
ihnen gestellt haben. An bekannten, periodisch wiederkehrenden
Tagen soll das Natur- oder Vernunftgesetz Gegenstand der Erörterung
sein; erdichtete Offenbarungen sollen zurückgewiesen
werden; nicht minder verwerfen sie vorgespiegelte Wundertaten,
abgeschmackte Mysterien und doppelzüngige Weissagungen, wie
sie endlich alle Täuschungen, Deuteleien, Trugschlüsse, Betrügereien
und namentlich alle altweibermäßigen Fabeleien auf-
1 S. Hettner, 1. c. p. 171 ff. Katsch, Pantheistikon in Mitteilungen
aus dem Verein d. Freimaurer 1882—1883 p. 51 ff., der p. 72 ff. den Lateinischen
Text des dritten Teils nebst Deutscher Übersetzung gibt.
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