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"VIERTES KAPITEL.
schlagen sie nur nieder, ändere erstechen sie, und noch andere
verstümmeln sie und hauen sie in Stücke. Die besondern Eigenschaften
, durch die diese Unmenschen sich voneinander unterscheiden
, bestehen darin, daß sie an ihren Opfern verschiedenartige
Unmenschlichkeiten vornehmen. Einige sind wegen ihrer
Geschicklichkeit berühmt, sich wie Löwen auf jene zu stürzen.
Dies geschieht, indem sie ihnen die Nase flach aufs Gesicht
drücken und mit den Fingern die Augen ausbohren. Andere
heißen Tanzmeister. Sie lehren ihre Schüler Luftsprünge machen,
indem sie ihnen Degen durch die Schenkel stoßen. Eine dritte
Gattung bilden die Seiltänzer. Ihr Amt ist es, Frauen auf den
Kopf zu stellen und an ihrem entblößten Leibe gewisse Unzüchtigkeiten
oder vielmehr Rohheiten zu verüben. Nasen abschneiden
, Menschen hinterrücks niederschlagen, Frauen in
Fässer stecken'und sie dann darin den Snow Hill hinunterrollen,
das alles gehört zu ihrem Zeitvertreib." Ein Schauspieler wurde
von Lord Mohan und Hauptmann Hill ermordet, die beiden Mörder
aber vom Peersgericht freigesprochen; der Bursche war ja nur
ein Schauspieler und Schauspieler sind Spitzbuben. (Macaulay.)
Dieser sittlichen Verlotterung arbeiteten die Philosophen
entgegen. Locke's Moralphilosophie litt an der Schwäche, daß
er auch auf sittlichem Gebiete die angebornen Ideen bestritt
und wie Hobbes Gut und Böse als relative Begriffe ansah.
Ihm trat sein Schüler, Lord Shaftesbury entgegen, dessen herrliche
Schriften auf die Deutschen Klassiker sowohl wie auf
Voltaire, Diderot, äußerst befruchtend gewirkt haben. Er war
ein Mann von idealistischem Schwünge der Begeisterung und
einer poesievollen Weltanschauung. „Trachtet zuerst nach dem
Schönen, und das Gute wird euch von selbst zufallen," ist der
Ausgang wie der Abschluß seiner Sittenlehre. Ein wiedergeborenes
Griechentum, ein göttlicher Kultus der Schönheit
stand vor seiner begeisterten Seele. „Nur der ist ein wahrhafter
Künstler, der gleich dem obersten Werkmeister oder
gleich der bildenden Natur ein Ganzes schafft, wo alles miteinander
im Zusammenhange und im richtigen Verhältnis steht,
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