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VIERTES KAPITEL.

der Vater dieser neuen Richtung bezeichnet werden. Mit weitem
Blick umfaßt er in der ecclesia catholica die ganze Menschheit.
Dem Englischen Deismus war es vorbehalten, das religiöse
Leben von der Enge konfessioneller Dogmen zu befreien. Diese
aufgeklärten Philosophen beanspruchten für sich vollständige
Denkfreiheit, Ablehnung einer jeden Lehre, die mit der Vernunft
im Widerspruch stand, denn die Vernunft ist der Maßstab, den
man an die Dinge anlegt.1 Eine logische Konsequenz dieser
Denkfreiheit ist die Toleranz, indem der Staat absolut kein
Recht hat, sich um die Meinungen seiner Bürger zu bekümmern
oder gar deren religiöse Ansichten zu bestrafen. Doch tat man
den Englischen Deisten Unrecht, wenn man sie der Feindschaft
gegen das Christentum beschuldigte, nein sie beanspruchten so
gute Christen zu sein, wie ihre frommen Gegner, nur wollten
sie das Christentum läutern und von den willkürlichen Zutaten
einer scholastischen Theologie befreien. Indeß war die öffentliche
Meinung, oder nennen wir es den Zeitgeist, noch nicht so weit
fortgeschritten, daß das Freidenkertum ungeniert hätte seine
Fittige entfalten können. Namentlich die Presse, die ja fast
immer die Durchschnittsbildung des Bürgers zur Geltung bringt,
erging sich mit der leidenschaftlichsten Heftigkeit, Gehässigkeit
und Erbitterung gegen die Deisten, diese Gottesleugner. Das
wohlgenährte Philistertum hat ja immer einen Zorn, wenn
Meinungen, Gedanken auftreten, die den seinigen entgegengesetzt
sind; es fürchtet die Mühe des Umdenkens; es hat einen Haß
gegen jede überlegene Bildung. Noch heute könnten die frommen
Ankläger der Freimaurerei jenen Artikel in der Englischen
Zeitung The Tatler vom 24. Dezember 1709 unterschreiben,
worin die Freidenker elende Lumpen genannt werden, die ohne
Witz, Kenntnis und Einsicht ihre rohe Anschauungsweise aus
elendem Ehrgeiz zu Markt führen; sie meinen, weil sie anders
denken als alle übrigen Menschen, man müsse sie auch für
weiser halten als diese. Was ist lächerlicher als ein solcher

1 Windelband 1. c. p. 271.


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