http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/boos1906/0142
136
SECHTES KAPITEL.
Wir haben jene Anhänger der kabbalistischen alchimistischen
Geheimlehre kennen gelernt, die in Deutschland am Anfange
des 17. Jahrhunderts auftraten und die dann auch nach England
sich verbreiteten. Nicht nur den Stein der Weisen wollten
sie finden, sondern sie verfolgten auch ethische Zwecke. Diese
verbargen sie den Uneingeweihten unter einer tiefsinnigen Symbolik
. Sie haben einen Bau ohne Fenster und Türen, allenthalben
sichtbar und doch den Augen der Menschen verborgen,
geziert mit allerlei göttlichen und sinnbildlichen Dingen. Sie
sind durchaus abgeneigt jedem Kriegs- und Parteigezänk und
wollen nur in der Stille arbeiten, in der Überzeugung, daß der
Frieden nur in der Freiheit des religiösen Bekenntnisses erreichbar
sei, nicht aber durch irgend welche allgemein bindende
Glaubensformeln. Sie verlangen für sich die Toleranz. Ihre
Zurückgezogenheit soll nicht dem Müssigang dienen, sondern
der Zweck der Gesellschaft ist der Aufbau einer Pansophie d. h.
einer Philosophie, welche Keligion und Naturwissenschaft zu einem
harmonischen Ganzen verwebt und zwar auf Grundlage der Bibel.
Sie fordern von jedem Mitgliede, Brüder nennen sie sich untereinander
, Treue gegen Gott und gegen die Obrigkeit, werktätige
hilfsbereite Liebe gegen alle Menschen, besonders Aufnahme und
Heilen von Kranken; darum eben sollen die Naturwissenschaften
besonders gepflegt werden; ferner Wahrhaftigkeit in Wort und
Wandel, bei mäßiger bescheidener Lebensweise und Verschwiegenheit
. In ihren Schriften, namentlich in Fludd's Philosophia
Moysaica, finden wir eine reiche Symbolik, die zum Teil der
Freimaurerischen verwandt ist.1 Daher wird die Geometrie von
ihnen so hoch geschätzt, gemäß dem Bibelspruche: „Aber du
hast alles geordnet nach Maß, Zahl und Gewicht." Einereiche
Zahlensymbolik verschlingt sich mit der Symbolik geometrischer
1 Hier kommen die Arbeiten von Katsch in Betracht in den Mitteilungen
aus dem Verein d. Freimaurer 1881/2, 1882/3, 1883/4, 1884/5. Vgl.
die Kritik von Sehwalbach, Bauhütte 1885, 313 ff. 323 ff. Ferner Katsch, die
Entstehung und der wahre Endzweck der Freimaurerei p. 399 ff.
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/boos1906/0142