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SECHSTES KAPITEL.
Hoffnung vorschwebte; die „Söhne der Wissenschaft und die
mit den erhabensten und tiefsten Geheimnissen der Maurerei
Erleuchteten" sollten auch ihn in diese Geheimnisse einweihen.
Eben weil er glaubte, daß die gelehrten Mitglieder der Freimaurerbrüderschaft
sich mit den Rätseln der Alchemie beschäftigten
, widmete er den Freimaurern sein Buch über die Verlängerung
des Lebens.1 Aber er befand sich in einer großen
Täuschung, denn die damaligen Freimaurer befaßten sich weder
mit alchemistischen Studien noch hingen sie irgend einer besondern
philosophischen Schule an. Erst viel später wurde der
unselige Bund zwischen Freimaurerei und Rosenkreuzerei geschlossen
. Wenn ich früher in der ersten Bearbeitung dieses Buches,
verführt durch Hettner, die Freimaurer, welche die Londoner
Großloge gegründet hatten, als Anhänger des Deismus betrachtet
und dieser Großloge große ethische Ziele zugeschrieben habe,
so bekenne ich jetzt reumütig, daß ich durch die gründlichen
Erörterungen Begemanns über „Deismus und Freimaurerei"2
meines Irrtums, überführt und eines Bessern belehrt worden bin.
Als Historiker will ich nur der Wahrheit dienen und bin fern
jeder Rechthaberei. Leider hat von jeher die Geschichte der
Freimaurerei als Tummelplatz für alle möglichen Phantastereien
und blinden Vorurteilen dienen müssen, so daß es jetzt endlich
an der Zeit ist, der Wahrheit die Ehre zu geben. Sieht man
die Quellen ohne Befangenheit an, so muß man zur Überzeugung
gelangen, daß die Freimaurerei in England in keinem Zusammenhang
mit dem Deismus stand oder überhaupt mit der geistigen
Bewegung um die Wende des 17. und 18. Jahrhunderts. Auch
brauchten die damaligen Freimaurer die Öffentlichkeit nicht zu
scheuen, da ja wie jedermann wußte, der sich darum interessierte,
ihr Geheimnis nur in Wort, Zeichen und Griff bestand und sie
niemals behauptet haben, ein anderes Geheimnis zu besitzen.
Wohl gab es schon im 18. Jahrhundert Leute, die keine Werk-
1 Begemann 1. c. 193 f.
2 Mecklenburgisches Logenblatt 1894, 1895, 1896.
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