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SIEBENTES KAPITEL.
waren ihrer mehr, bald weniger; sie entstanden und gingen
wieder ein, ohne daß die Welt davon Notiz nahm. Erst als
auch Franzosen die Sache kennen lernten und sich derselben
bemächtigten, da begann für die Geschichte der Freimaurerei
eine neue Epoche. Auf fremden Boden verpflanzt, verwandelte
sich die Institution der Freimaurerei vollständig; sie wurde der
Sitte und dem Charakter des Französischen Volkes angepaßt;
immer weiter entfernte man sich von der ursprünglichen reinen
Idee, man vergaß die Ursache und Umstände ihrer Entstehung,
und anstatt daß die Freimaurerei die Basis eines Bruderbundes
wurde, in dem es keine Unterschiede der Religionen, der Nationen
und der Stände gab, und der sich dem Dienste der Humanität
widmete, wurde er vielmehr auf Franzosischem Boden eine Pflanzstätte
der Eitelkeit, zu unreinen Absichten gemißbraucht und der
Tummelplatz für alle möglichen Schwindler und Abenteurer.
In England konnte seit der Thronbesteigung Wilhelms von
Oranien sich ein freieres politisches Leben entfalten. Das Verhältnis
der Volksvertretung zum König war genau fixiert; die
Presse genoß eine große Freiheit und das Vereinsrecht war fast
unbeschränkt. Ganz anders in Frankreich. Hier vereinigte seit
Ludwig XIV. der König alle Macht in seinen Händen; er war
unumschränkter Herr über das Land und die Untertanen, und
argwöhnisch wurden alle Regungen selbständigen Lebens überwacht
. Die alten Korporationen waren zur Untätigkeit verurteilt
, und selbst der bevorzugte Teil der Nation, der Adel,
durfte nur mit Erlaubnis des Königs, unter polizeilicher Überwachung
sich zum Mahle versammeln. Die harmloseste gesellige
Vereinigung war verdächtig. Gleichwohl gab es m Frankreich
solche Gesellschaften, die man Orden nannte, so z. B. POrdre
de la Liberte; Moses soll der Stifter gewesen sein; POrdre jde
la Meduse in Toulon, de la Grappe in Arles, des Trancardins,
de la Boisson, 1703 durch Herrn von Posquieres gegründet, der
auch unter dem Titel: POrdre de l'Etroite observance bekannt
ist. Welcher Art diese Gesellschaften waren, erkennt man z. B.
aus den Versen:
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