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SIEBENTES KAPITEL.
von Jerusalem vereinigten.K1 Wenn nun auch die Beschuldigungen
gegen Ramsay, daß er die Freimaurerei für politische
(die Wiederherstellung der Stuartischen Dynastie in England)
und katholische Zwecke mißbraucht habe, sowie daß er der
Erfinder der Hochgrade und der Tempelrittermaurerei gewesen
sei, ganz unbegründet sind, indem Ramsay allen politischen
Machinationen fernblieb, seine ganze Lebenshaltung ihn als einen
edlen Menschen erkennen läßt und er in seiner Rede ausdrücklich
nur drei Grade anerkennt, so liegt doch in der eben
angeführten Stelle seiner Rede der Keim zu einer völligen Umgestaltung
und Entartung der Freimaurerei.
In Frankreich konnte sich die Freimaurerei unmöglich rein
erhalten, weil der Franzose den eigentlichen Zweck derselben
von Anfang an verkannte und weil er das Geheimnis nicht zu
bewahren verstand. Nicht nur die Rituale wurden publiziert,
das geschah ja auch in England, sondern auch die Gebräuche
wurden in zahlreichen Schriften profaniert und Kupferstiche
halfen der Phantasie und dem Verständnis nach. Diese verräterischen
und apologetischen Schriften fanden reißenden Absatz;
erlebte doch der Ordre trahi in vier Monaten sieben Auflagen
und vier Übersetzungen. Jedermann konnte sich folglich über
die Freimaurerei genau unterrichten und ohne aufgenommen zu
sein sich Zutritt in die Logen verschaffen. Wie konnte von
einem Geheimnis die Rede sein, wenn, wie es damals Mode war,
die adligen Herren ihre Bedienten in die Logen mitnahmen.
Diese wurden als dienende Brüder aufgenommen und waren
Zeugen von all dem, was in den Logen vorgieng. Sie äfften
ihre Herren in allem nach; so hielten sie auch unter sich Logen.
Bei der Aufnahme von Suchenden verfuhr man überaus leichtsinnig
, indem man nicht einmal abstimmte und auch nicht die
üblichen Fristen zwischen den drei Graden innehielt, sondern
sehr oft am gleichen Abend einem Kandidaten alle drei Grade
erteilte. Vortrefflich beurteilt 1'Ordre trahi diesen Mißbrauch:
1 Schwalbach, Geschichte des maur. Gebrauchtums p, 63,
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