http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/boos1906/0227
DIE ENTARTUNG DER FREIMAUREREI IM 18. JAHRHUNDERT. 221
der Wissenschaft aus der Schulstube, des unmittelbaren und
werktätigen Einwirkens der Gebildeten auf die bildungsbedürftigen
Massen."1 Die Notwendigkeit dieser Erscheinung begründet
Lessing im „Emst und Falk" mit den Worten: „Es war immer
das sicherste Kennzeichen einer gesunden, nervösen Staatsverfassung
, wenn sich die Freimaurerei neben ihr blicken ließ, so
wie es noch jetzt das unfehlbare Merkmal eines schwachen,
furchtsamen Staates ist, wenn er das nicht öffentlich dulden
will, was er im Geheimen doch dulden muß, er mag wollen
oder nicht." Aber am allerwenigsten kann man gerechter
Weise der Freimaurerei den Vorwurf machen, diese Krankheit
verschuldet zu haben. Der Freimaurerbund war zum mindesten
in England keine geheime Gesellschaft, die im Verborgenen
arbeitete. Jedermann kannte sie dort und jeder rechtschaffene
Mann hatte Zutritt; ihre Statuten, Zwecke und Ziele waren
durch den Druck bekannt gemacht und nur für die Rituale,
das Gebrauchtum und für die internen Vorgänge in den Logen
bestand das Gelübde der Verschwiegenheit. Lange bevor der
Freimaurerbund sich in Deutschland verbreitet hatte, gab es
geheime Vereine1 und neben ihnen andere geheime Bünde in
Scherz und Ernst. Als der junge Goethe 1772 in Wetzlar die
Abgründe des Reichsrechtes studierte, ließ er sich in eine Rittergesellschaft
aufnehmen. „An einer großen Wirtstafel traf ich
beinah sämtliche Gesandtschaftsuntergeordnete, junge muntere
Leute beisammen; sie nahmen mich freundlich auf, und es blieb
mir schon den ersten Tag kein Geheimnis, daß sie ihr mittägiges
Beisammensein durch eine romantische Fiktion erheitert hatten.
Sie stellten nämlich, mit Geist und Munterkeit, eine Rittertafel
vor. Obenan saß der Heermeister, zur Seite desselben der
Kanzler, sodann die wichtigsten Staatsbeamten, nun folgten die
Ritter nach ihrer Anciennität; Fremde hingegen, die zusprachen,
1 Hettner 1. c. 321.
a L. Abafi, Geschichte der Freimaurerei in Österreich-Ungarn. Budapest
1. 1890. p. 33 ff.
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/boos1906/0227