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ACHTES KAPITEL.

ters und äußere zufällige Umstände sie in dieser oder jener
Gestalt sichtbar werden lassen, den Dichter, den Philosophen,
den Helden und Patrioten bildet."1 Trotzdem das 18. Jahrhundert
das Zeitalter der Aufklärung ist, das sich in schärfsten
Gegensatz zum Mittelalter setzt, lebte doch in Deutschland das
Mittelalter kräftiger fort, als in irgend einem andern Lande.
Das soll durchaus kein Vorwurf sein, denn ebendadurch wurde
Deutschland vor der vernichtenden Wucht der Revolution bewahrt.
Auch die Französische Gesellschaftsordnung baute sich auf dem
Feudalsystem auf. Aber hier war nur noch die Schale ohne
den Inhalt. Der Adel genoß alle Privilegien, welche im Mittelalter
dem Grundherrn von Rechts wegen zustanden, ohne indes
die Pflichten gegenüber dem Volke und Lande zu erfüllen.
Dadurch entstand die unüberbrückbare Kluft von Schein und
Wirklichkeit und infolge davon der unversöhnliche wütende Haß
des Bürgers und Bauers gegen den adligen Schmarotzer.2 In
Deutschland hingegen übte der Adel noch im 18. Jahrhundert
seine Funktionen als patrimonialer Gerichtsherr, als natürlicher
Vertreter seines Bezirkes, als Anführer des heimischen Kontingentes
aus.8 Er ernannte den Pfarrer, den Lehrer etc. Noch
hauste die große Mehrzahl des Adels auf den zerfallenden
Schlössern; wie vor alters ritt er den Schloßberg herunter auf
die Jagd, von Bauern und Bürgern mit tiefster Devotion begrüßt.
Zu Goethes Zeit bildete der Adel noch eine eigene streng abgeschlossene
Welt, die man am besten aus seinen Romanen
kennen lernt. Trefflich schildert er in Werthers Leiden die
adlige Gesellschaft in ihrer hohlen Nichtigkeit und mit ihrem
verletzenden Hochmut gegenüber dem Bürgerlichen, greller
Schiller in Kabale und Liebe. Langeweile und Neugierde führten
den Adel der Loge zu. Diesen nur auf den äußerlichen Schein

1 Geheime Geschichte eines Rosenkreuzers p. 27 f.

2 S. die klassische Darstellung von H. Taine, L'ancien regime.

3 Diesen Unterschied der Deutschen und Französischen Zustände hat
A. Sorel, L'Europe et la Revolution I trefflich dargestellt.


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