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DIE ENTARTUNG DER FREIMAUREREI IM is. JAHRHUNDERT. 265
Dame habe gegen die Vorschrift zu viel davon genommen und
sei zu einem Embryon zusammengeschrumpft. Ganz Paris erzählte
solche Geschichten und machte für ihn Reklame» Auch
verstand er Perlen zu vergrößern und Gold zu machen, welche
Kunst ihm die Gnade des Königs verschaffte. Konnte man
einen Mann, der als Grandseigneur lebte für einen Charlatan
halten! Aber es passierten ihm doch einige unangenehme Geschichten
, weshalb er sich 1760 gerne vom Marschall de Belle-
Isle m einer geheimen Mission nach Holland schicken ließ, doch
sein Mißerfolg zog ihm einen Ausweisungsbefehl der Französischen
Regierung zu und er mußte nun als Abenteurer sich ruhelos in
Rußland, Deutschland und Italien herumtreiben, bis es ihm gelang
sich beim Landgrafen Karl von Hessen-Kassel einzuschmeicheln,
der ein leidenschaftlicher Adept war. Dieser gewährte ihm in
Schießwig einen sichern Unterschlupf gegen seine Gläubiger, bis
er 1784 starb.
Dieser Graf Saint Germain war nun das bewunderte Vorbild
des Grafen Cagliostro. der ihn wahrscheinlich in Deutschland
kennen gelernt hatte.1 Als Goethe, der sich sehr für Cagliostro
interessierte, 1787 in Sizilien reiste, suchte er die Familie dieses
Mannes auf und nahm menschlichen Anteil an ihr. Cagliostro
stammte so wenig als Saint Germain aus vornehmem Geschlecht,
vielmehr waren seine Eltern Pietro Balsamo und Felicita Bra-
connieri arme Leute. Ihr Sohn, Giuseppe Balsamo wurde am
8. Juni 1743 in Palermo geboren und weil er einige Begabung
verriet dem geistlichen Stande geweiht. Aber seine bösen
Neigungen führten ihn auf andere Wege. Er wollte sein Glück,
gleichviel auf welche Weise, versuchen. Mit Gleichgesinnten
verbunden, verübte er allerlei Betrügereien, die ihn mit der
Justiz in Konflikt brachten. Daher verließ er den heißgewordenen
Boden seiner Heimat und trieb sich als Abenteurer in Ägypten,
Griechenland, Syrien und Italien herum, wo er überall seine
Kenntnisse in den geheimen Wissenschaften vermehrte. Eine
1 Vergl. d'Almeras Cagliostro; p. 1—11 enthalten eine sorgfältige
Aufzählung der Quellen und Literatur.
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