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DIE ENTARTUNG DEE FREIMAUREREI IM 18. JAHRHUNDERT. 271
in einem Jargon gemischt aus italienischen, französischen und
arabischen Brocken. Da ihm aber jede tiefere Bildung fehlte,
so konnte er keine Sprache richtig sprechen.
Besonderes Aufsehen erregten seine Kuren, namentlich die ihm
gelangen, denn von den andern sprach niemand. An dem Basler
Bankier Jakob Sarasin machte er eine sehr wertvolle Eroberung.1
Dieser durch seine Beziehungen zu den Trägern der Sturm- und
Drangbewegung in der Literatur bekannte Mann suchte bei Cag-
liostro Hilfe für seine an einer schweren Nervenkrankheit leidende
Frau. Er gab seinem Freunde J. K. Lavater Auftrag, sich in Straßburg
über Cagliostros Wesen und Wirksamkeit zu erkundigen,
eine Aufgabe, die diesem Wundermanne höchst zusagen mußte.
Die erste Begegnung fand am 24. Januar 1781 statt. Als Lavater
Cagliostro fragte, woher seine Kenntnisse stammten, wie er diese
erlangt hätte und worin sie bestünden, antwortete letzterer lakonisch
: „In verbis, in herbis, in lapidibus." In einem Bericht
Lavaters an Goethe schildert er diesen Magier in seiner wunderlichen
Weise: „Cagliostro ist ein höchst origineller, kraftvoller,
unerhabener und in gewissem Betracht unaussprechlich gemeiner
Mensch; ein paralcelsischer Stemnarr, ein hermetischer Philosoph,
ein Arkanist, ein Antiphilosoph; das ist nun wohl das Schlimmste
was von ihm erzählt wird . . . Ohne Charlatanerie ist er gewiß
nicht, obgleich er dennoch kein Charlatan ist. Ist er so
schrecklich mit medizinischen Konsultationen beschäftigt, daß er
nichts hören, nichts antworten kann? Eigentlich anziehendes,
amuroses hat er nichts. Übrigens steht er neben andern Menschen
wie ein ewiger Fels neben Strohhütten. Seine Stimme ist physisch
so stark, daß es einem wie natürlich scheint, daß ihr die
Geister gehorchen müssen ..." Besser traf Goethe den Nagel
auf den Kopf: „ Cagliostro ist immer ein merkwürdiger Mensch.
Und doch sind Narr mit Kraft und Lump so nah verwandt. Ich
darf nichts darüber sagen . . . Doch lassen solche Menschen
Seiten der Menschheit sehen, die im gemeinen Gange unbemerkt
1 A. Langmesser, Jakob Sarasin. Zürich 1899. (Abhandlungen her. von
der Gesellschaft für Deutsche Sprache in Zürich V.)
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