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ACHTES KAPITEL.
bleiben."1 Auch der bekannte Göttinger Professor Meiners beurteilt
ihn richtig.2 Aber Cagliostro war in Straßburg vorsichtiger
als irgendwo sonst und hütete sich, sein Renommee durch
törichte Streiche zu kompromittieren. So gewann er die namhaftesten
Mitglieder der Straßburger Gesellschaft für sich, wie
den mächtigen Prätor Klinglein, den Marschall Contades, den
Marquis de la Salle etc. Man drängte sich an ihn heran, haschte
nach einem Blick, einem Worte. „Er war," schreibt, die Frau
von Oberkirch,8 „nicht geräde schön, aber nie habe ich eine
ausdrucksvollere Physionomie gesehen als seine. Er besaß einen
Blick von beinahe übernatürlicher Tiefe; der Ausdruck seiner
Augen schien bald eine Flamme zu sein, bald wie Eis; er zog
an und stieß zurück; er flößte Furcht ein und eine unwiderstehliche
Anziehung." Mit Begeisterung schloß sich Sarasin an
Cagliostro, nachdem dieser die Krankheit seiner geliebten Ger-
trud geheilt hatte. Er lernte durch ihn den Ägyptischen
Wein herstellen und präparierte für ihn allerlei Medikamente.
Doch alle diese Bekanntschaften waren für Cagliostro nur
Mittel zum Zweck, indem er darauf ausging, den Fürstbischof
Kardinal Louis de ßohan einzufangen. Dieser, ein Abkömmling
eines alten berühmten Geschlechts, war ein Grandseigneur im
großen Stil, mit ungeheurem Einkommen, das er sorglos verschwendete
und dazu noch kolossale Schulden machte, nicht
ohne Begabung, aber liederlich bis zum Exzeß, so daß ihn
Maria Theresia mit Recht als ein „mauvais sujet" bezeichnen
konnte. Wie die meisten seiner Standesgenossen glaubte er an
keinen Gott, wohl aber an den Teufel. Eifrig beschäftigte er
sich mit alchimistischen Studien und suchte nach dem Stein der
Weisen; da mußte ihm ein Magier wie Cagliostro hoch willkommen
sein. Aber dieser warf sich ihm nicht an den Hals,
sondern machte sich sehr kostbar. Bald übte Cagliostro eine
1 Langinesser 1, c. p. ZL
2 Briefe über die Schweiz. 2. Teil. Berlin 1785 p. 298 ff.
3 Me'moires de la baronne d'Oberkireh sur la com* de Louis XVI
Paris 1882. 2 Bände.
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