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ACHTES KAPITEL.
Christ sein müsse, und setzte es durch, daß der Kronprinz sich
von seiner Maitresse, der Rietz, trennte. Hannan wünschte
darauf dem Prinzen Glück zur Erlösung aus einer Leidenschaft,
in deren „satanischen Fesseln" er durch wirkliche „Zauberei"
gehalten worden und verspricht ihm zum Lohne Zutritt zu einer
höhern Ordensstufe. Allein die Rietz hatte sich während zwanzig
Jahren dem Prinzen unentbehrlich zu machen gewußt, daher
bewirkte Wöllner, ein größerer Menschenkenner als die andern
Schwarmgeister, unbekümmert um die frommen Grundsätze
des Ordens, eine Versöhnung zwischen dem Prinzen und seiner
alten Geliebten, und nicht genug damit förderte er dessen
Neigung zu einer schönen Hofdame, Fräulein von Voß. Die
Ordensobern waren viel zu eigennützig, um daran Anstoß zu
nehmen. Die eigentliche Seele des Ordens war Wöllner, der
1782 ein Buch herausgab unter dem Titel: „Die Pflichten der
Gold- und Rosen-Creutzer alten Systems, in Juniorats-Versamm-
lungen abgehandelt von Chrysophiron", das, weil es die wahre
Lehre des Ordens und die Anleitung zur Erkenntnis enthielt,
unter die Brüder verteilt wurde, ganz in dem schwülstigen Stil
geschrieben, wenn es ihm darum zu tun war, zu täuschen und
zu betrügen. So lügt er uns vor, die Rosenkreuzerei hätte seit
ewigen Zeiten existiert und sowohl den Templerorden als auch
später die Freimaurerei hervorgebracht, um zur Vorbereitung
für die eigentlichen hochheiligen Geheimnisse der Rosenkreuzer
zu dienen. „Jeder echte Rosenkreuzer weiß, daß die Freimaurerei
zu dem Ende von unseren höchsten Ordensobern erfunden
ist, daß sie die Pflanzschule abgeben soll, um von dort
aus in den wahren hohen Orden zu gelangen. Die Freimaurerei
ist der Vorhof des Tempels, dessen verborgener Eingang nur
den würdigen Freimaurern entdeckt und eröffnet wird." So
wurde bewußt die Wahrheit auf den Kopf gestellt und die Lüge
verbreitet. Aber gegen die Anhänger anderer Systeme schleuderte
man mit dem Brustton tiefster Überzeugung und Wahrheitsliebe
das Anathem. „Wehe, wehe allen Irrlichtern, allen Satansboten,
die Euch zeitlich und Euch ewiglich unglücklich machen!" Den
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