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ACHTES KAPITEL.
den König und den niedrigst gestellten Menschen als einen
Bruder betrachtet, worin man die Verkehrtheiten der Welt vergißt
und sehend, daß alle Mitglieder nur von einem Geist,
dem der Liebe zum Guten beseelt sind, Freudenthränen vergießt,
— worin man viel verläßlichere Freunde trifft, als in der Außenwelt
, — worin jeder sich bestrebt, die Not seiner Mitmenschen
nach Kräften zu lindern; worin jeder verpflichtet ist, zu lesen
und zu lernen und seine Brüder durch seine Werke, seine
Schriften, sein Beispiel zu lehren; die Loge ist die vollkommenste
Schule des Herzens." Fürwahr die Freimaurerei hat sich um
die Geistes- und Herzensbildung in Österreich ein unsterbliches
Verdienst erworben.
Bayern war dem Deutschen Einfluß fast noch entrückter
als Österreich, und die Jesuiten waren auch nach Aufhebung des
Ordens unumschränkte Meister des Staates und verstanden es,
jeden dauernden Fortschritt zu hemmen. Als Andreas Zaupfer
eine Ode gegen die Inquisition veröffentlichte,1 worin erwünschte,
daß die Duldung, das Gotteskind, „Friedrichs Vertraute," sich
auch nach Süden wende, wo mit Tränen die Menschheit sie um
Hilfe fleht, schimpfte ihn der Exjesuit Gruber ein Teufelskind
und er wurde gemaßregelt (1780). Nicolai und andere traten
für ihn ein und auch Schiller interessierte sich für diesen Handel.
Von Bauerbach aus schrieb er am 14. April 1783 an den Bibliothekar
Reinwald in Meiningen: „Außerdem will ich es mir
in diesem Schauspiel (Don Carlos) zur Pflicht machen, in Darstellung
der Inquisition die prostituierte Menschheit zu rächen und
ihre Schandflecken fürchterlich an den Pranger stellen." Dieser
schmachvolle Zustand war dem Professor des Kirchenrechtes an
der Universität Ingolstadt, seit Ecks famosem Angedenken die Hochburg
ultramontaner Wissenschaft, unerträglich. Adam Weishaupt
war Schüler der Jesuiten gewesen und kannte daher das Wesen
des Jesuitismus ganz genau. Ihre Feindschaft empfand er übel; so
entstand denn in ihm der Gedanke, eine geheime Gesellschaft
1 D. Jacoby ii): Euphorion, Zeitschrift für Literaturgeschichte. Leipzig
und Wien 1908. X p. 92.
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