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NEUNTES KAPITEL.
Der Einfluss der Freimaurerei auf die
geistige Kultur.
„Es wird das neue Evangelium kommen."
Fr. Schlegel.
Die Vorliebe für das Geheimnisvolle, das Versteckspielen,
ist ein charakteristischer Zug des 18. Jahrhunderts, und eben
dieser Zug deutet auf eine gewisse Unreife hin. Die Aufklärung
wollte das Volk zur Glückseligkeit führen; sie bekämpfte den
Aberglauben und die Unbildung; aber man hielt damals das gemeine
Volk noch nicht für reif zur Erkenntnis der Wahrheit.
Die Besten jener Zeit bekannten sich zu dem Spruche: „Alles
für das Volk, aber nichts durch das Volk." Man lebte der Überzeugung
, daß es noch eines Gängelbandes bedürfte, und nur den
Eingeweihten sollte der Zugang zur Wahrheit geöffnet werden.
Darum liebte man so sehr das Versteckspielen, die Scheidung
in eine esoterische und exoterische Lehre.1 Schon Leibnitz hat
dazu den Anstoß gegeben, und Lessing war bekanntlich ein
Meister in der Kunst, die Gedanken zu wenden, zu drehen und
zu verdecken. „Der exoterische Vortrag will jeden auf dem Wege,
wo der Lehrer ihn eben fand, weiter leiten zur Wahrheit, das
eigene Feuer, wie Lessing sagt, zwar nicht im Kiesel verbergen,
aber selbst aus dem ungeschicktesten Quarzstück Funken
schlagen, eine verkehrte Meinung so lange wenden und pflegen,
bis ihr Vernunftgehalt herausgelockt, die Sonnenseite an ihr gefunden
ist.T
1 Windelband, Geschichte der neueren Philosophie. 1, 275.
2 Erich Schmidt, Leasing. II, 614.
H. Boos, Geschichte der Freimaurerei. ÄO
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