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NEUNTES KAPITEL.

rangen, um dem Orden Achtung und Neigung zu erwecken.
Aber mit der Freimaurerei haben solche Taten nichts zu tun;
denn auch andere Menschen üben Werke der Barmherzigkeit,
ohne Freimaurer zu sein, vielmehr zielen die wahren Taten der
Freimaurer dahin, um größtenteils alles, was man gemeiniglich
gute Taten zu nennen pflegt, entbehrlich zu machen. Mit dieser
Definition, sowie mit einer frühern Antwort Falks: „Die Freimaurerei
war immer," verläßt Lessing den historischen Boden und
verwandelt die Freimaurerei in einen idealen Begriff. Die Logen
sollen der Humanität dienen, d. h. mit andern Worten, der
Freimaurerei wird die Aufgabe zugewiesen, die Menschen zu der
Höhe idealer Bildung zu führen, wo jeder Mensch gut ist und
gut handelt, es also einzelner guter Taten nicht mehr bedarf.

Diesen Gedanken führt Lessing in seiner „Erziehung des
Menschengeschlechts" näher aus. Dieses herrliche Büchlein ist
eine Entwicklungsgeschichte, welche die Geschichte der Menschheit
in drei Teile gliedert, nämlich in das Zeitalter der Kindheit
oder der Periode des Judentums, wo Gott die Menschen
durch unmittelbare Strafen und Belohnungen erzog; durch Beobachtung
und Nichtbeobachtung des Gesetzes hoffte oder fürchtete
das Volk glücklich oder unglücklich zu werden; über dieses
Leben hinaus ging sein Blick nicht. Das zweite Zeitalter war
das Knabenjahr oder die Periode des Christentums. „Es war
Zeit, daß ein anderes wahres, nach diesem Leben zu gewärtigen-
des Leben Einfluß auf seine Handlungen gewänne. Und so
ward Christus der erste, zuverlässige, praktische Lehrer der
Unsterblichkeit." Aber das Christentum hat mit dem Judentum
noch die Eigennützigkeit des menschlichen Herzens gemein,
welche auf Lohn und Strafe achtet, sei es hier oder dort. Erst
das dritte Zeitalter, das der völligen Aufklärung, besitzt diejenige
Kernigkeit des Herzens, die die Tugend um ihrer selbst
willen liebt. „Oder soll das menschliche Geschlecht auf diese
höchste Stufe der Aufklärung und Reinigkeit nie kommen? . . .
Nein! sie wird gewiß kommen die Zeit der Vollendung, da der
Mensch, je überzeugter sein Verstand einer immer bessern


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