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DER EINFLUSS DER FREIMAUREREI AUF DIE GEISTIGE KULTUR. 317
Zukunft sich fühlt, von dieser Zukunft gleichwohl Bewegungsgründe
zu seinen Handlungen zu erborgen nicht nötig haben
wird; da er das Gute tun wird, weil es das Gute ist, nicht
weil willkürliche Belohnungen darauf gesetzt sind . . . Sie wird
gewiß kommen, die Zeit eines neuen Evangeliums, die uns selbst
in den Elementarbüehern des neuen Bundes versprochen wird."
Dem Freunde Ernst erscheint das letzte Wort Falks (von
der Entbehrlichkeit guter Taten) als ein Rätsel, das er so wenig
lösen werde, als es Falk gelang, den Schmetterling zu fangen.
Falk lenkt darauf die Aufmerksamkeit auf einen Ameisenhaufen,
der ihm zum Symbol der Gesellschaft wird. Das staatslose
Geschlecht des vorigen Jahrhunderts brachte dem Staate nur
wenig Verständnis entgegen und das Rousseau'sche Naturrecht
verwirrte vollends die Begriffe und trübte das Verständnis für
die geschichtliche Eigenart des Volkes und die Notwendigkeit
des Staates. Am Ameisenhaufen demonstriert Falk den Satz:
Ordnung muß auch ohne Regierung bestehen können. Der Staat
ist ihm lediglich ein notwendiges Übel, ein Mittel zum Zwecke,
die Glückseligkeit aller Glieder zu begründen, und es ist eben
die Aufgabe der Freimaurerei, die Trennungen, welche mit der
Staatsordnung unvermeidlich sind und welche den Menschen vom
Menschen scheidet, nicht größer werden zu lassen. Es wäre
also recht sehr zu wünschen, daß es in jedem Staate Männer
geben möchte, die über die Vorurteile der Völkerschaft hinweg
wären und genau wüßten, wo Patriotismus Tugend zu sein aufhöret
, recht sehr zu wünschen, daß es in jedem Staate Männer
geben möchte, die dem Vorurteile ihrer angebornen Religion
nicht unterlägen, nicht glaubten, daß alles notwendig gut und
wahr sein müsse, was sie für gut und wahr erkennen, recht
sehr zu wünschen, daß es in jedem Staate Männer geben möchte,
welche bürgerliche Hoheit nicht blendet und bürgerliche Geringfügigkeit
nicht ekelt; in deren Gesellschaft der Hohe sich gern
herabläßt und der Geringe sich dreist erhebet. „Wie, wenn es
die Freimaurer wären, die sich mit zu ihrem Geschäfte gemacht
hätten, jene Trennungen, wodurch die Menschen einander so
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