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DER EINFLUSS DFR FREIMAUREREI AUF DIE GEISTOIE KULTUR. 325
Freimaurer beigetreten, die ja aus dem Samen, den einst Andreae
gestreut hatte, erwachsen war. In der Loge zum Schwerte1 fand
der junge Theologe den edlen Geist der Verbrüderung und eine
vornehme Geselligkeit, die auf ihn anregend und bildend wirkte.
Er war mit Herz und Leib ein Freimaurer, weil er sich eine
„tiefe Ehrfurcht vor dem Heiligen, eine warme Liebe für die
Menschheit, ein offenes, liebendes Auge für alles Schöne, Gute
und Göttliche, wo es sich ihm zeigte, einen Geist der Reinheit
und Heiligkeit der Gesinnung, die er sich durch die strengste
Gewissenhaftigkeit, durch Tugenden und eine nie unterdrückte
Neigung zur Religiosität zu eigen gemacht hatte,"2 erworben
hatte. Tief prägte sich der Eindruck des Gemeingeistes, den er
in seiner Loge in Riga wahrnahm, in sein Gedächtnis ein. Später
freilich in Weimar, wo er sich an der Logenarbeit nicht beteiligte,
pflegte er sich kühl über die Freimaurerei auszudrücken. Als
er die Lessingschen Gespräche, Ernst und Falk, erhielt, schrieb
er: „Wenn Freimaurerei dazu gehört, es zu lesen, so bin ichs
leider auch." Und sein jüngerer Freund, J. G. Müller in Schaffhausen
, der oft das Echo Herders ist, spricht sich ähnlich kalt
über seine Zugehörigkeit zum Bunde aus.3 Aber in seinen
„Erinnerungen" gedachte Herder mit Sehnsucht und .Wehmut
der goldenen Jugendzeit in Riga. Die Rigaer Loge war ihm
wahrscheinlich beförderlich, als er seine große Reise antrat, und
es klingt wie eine Anspielung darauf, wenn er Linda in seinem
Freimaurergespräch „Fama fraternitatis" sagen läßt: „Und mich
dünkt, ihr Arm lange weit; sie kennen einander in allen Ländern.
Manchem Jüngling, höre ich, haben sie durch Empfehlung und
Unterstützung, durch Rat und Tat fortgeholfen, der ihnen sein
Glück danket." Daß Herder sich gelegentlich abfällig über die
Freimaurerei aussprach, berechtigt nicht den Schluß, als ob er
1 L. Keller 1. c. p. 26 nennt sie „Zum Nordstern".
2 Vgl. die Vorrede J. G. Müllers zu Herders Geist der Hebräischen
Poesie, p. VII.
8 Siehe Briefwechsel der Gebrüder Joh. von Müller und J. Georg Müller.
Schaffhausen 1892.
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