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DER EINFLUSS DEE FREIMAUREREI AUF DIE GEISTIGE KULTUR. 331
könnte. " Die Briefe sind überaus witzig und anregend geschrieben,
überall merkt man den Einfluß Leasings, nur eignete sich Herder
leider nicht dessen Detailkenntnisse und Gründlichkeit an. Natürlich
ließ sich Nicolai die Blößen Herders nicht entgehen und mit
der ihm eigenen Plumpheit; Breitspurigkeit und Nüchternheit
haut er auf den „Ungenannten", den doch jedermann kenne,
ein. Herder erntete in diesem Streite keine Lorbeeren und ein
Aussöhnungsversuch scheiterte. Übrigens erfordert es die Gerechtigkeit
, daß man die Verdienste Nicolais um die freimaurerische
Geschichte anerkennt, namentlich enthält sein gegen Hofrat
Buhle gerichtetes Buch 1 viel richtiges und anregendes. Man
darf bei all seinen Schwächen seine wackern Eigenschaften nicht
unterschätzen, vor allen Dingen seinen unerschütterlichen Mannesmut
im Kampfe gegen Schwärmerei, Kryptokatholizismus, Pfaffenherrschaft
und Unduldsamkeit, die er bis in ihre äußersten
Schlupfwinkel verfolgte, wobei er freilich sehr oft Gespenster sah
und gegen Windmühlen stritt.* Auch als Freimaurer bewahrte
er seine hausbackene Nüchternheit und bekämpfte alles Geheimnisvolle
und Mystische im Bunde. Doch schlug er den Wert der
Freimaurerei hoch an. „Die Menschenkenntnis, welche ich durch
die Verbindung mit der Freimaurergesellschaft erworben habe,
möchte ich wahrlich um vieles nicht missen." Lessing war sein
Gott, neben dem er keine anderen Götter duldete, darum eben
konnte er die neuaufgekommenen Genies, Herder, Goethe etc.,
nicht würdigen.
Lange trug Herder seinen Groll gegen Nicolai herum, doch
schließlich folgte er Wielands verständigem Rat, der raeinte,
Herder könne die Scharte wieder auswetzen, wenn er etwa nach
zwei Jahren mit einem großen Werke hervortrete. Das geschah.
An seinem schönsten Buche: „Ideen zur Philosophie der Geschichte"
zerschellte der Tadel eines Nicolai und seiner Gesinnungsgenossen.
1 Einige Bemerkungen über den Ursprung und die Geschichte der Rosenkreuzer
und Freimaurer. Berlin und Stettin 1806.
2 Vgl. die verständige Würdigung von L. Geiger, Berlin 1688—1840.
1. p. 458 ff.
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