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NEUNTES KAPITEL
nicht in die Welt geschickt und die Wahrheitsuchenden irregeleitet
! „Zu den Ägyptischen, Griechischen, gar Hebräischen,
Persischen, Indischen Geheimnissen, zu den Druiden selbst hat
man seine Zuflucht genommen und sie zur Freimaurerei gemacht,
sowie man denn auch die guten Maurer zu Essenern und Gno-
stickern, zu Manichäern, Pelagianern, zu Jesuiten sogar zu machen
sich nicht entblödet hat. Die Welt ist satt dieser Verdrehungen
alter und voriger Zeiten." Erst Lessing hat den Nebel zerstreut,
obschon auch er in die Irre ging. Was ist der Zweck der
Freimaurerei? Der Bau der Menschheit. Linda bezeichnet das
als ein schönes Unternehmen. „Alle Anliegen der Menschheit
können, dürfen sich an dies unsichthare Insitut wenden, es
denkt, es sorgt für sie. Es hilft, wo es helfen kann, und man
ist Niemandem Dank schuldig. Aus einer Wolke gleichsam kam
die helfende Hand und zog, ehe man sie gewahr ward, sich
wieder zurück in die Wolke." Klopstock sagt: „ein Mann sagt
nicht, was er tun will, noch weniger was er getan hat; er
tut und schweiget." Ihr Motto sollte der Spruch der Dido
sein:
„Leidenden beizustehen; das lehrten mich eigene Leiden."
Einst bauten sie die Gotischen Kirchen, jetzt den unsichtbaren
Bau in Salomos Hallen am Tempel der Menschheit. Es
ist ganz gleichgültig, welches auch der Ursprung der Freimaurerei
ist. „An ihren Früchten sollt ihr sie erkennen!" sprach unser
Meister. Wenn eine Einrichtung da ist und Früchte bringt,
möge sie entstanden sein, wie sie wolle, möge sie sich ihres
Ursprunges zu freuen oder zu schämen haben, was kümmert uns
dieser? Steht die Gesellschaft auf dem Gipfel, auf welchem
wir sie wünschen; ist sie das, wonach zu allen Zeiten alle Guten
■strebten, jeder Religion und Staatsverfassung unbeschadet, gleichsam
das Auge und Herz der Menschheit, o, so bringt
sie, über allen Unterschied der Stände, über jeden Sektengeist
erhoben, den freien Seelen, die zu ihr gehören, die
goldene Zeit zurück, die in unser aller Herzen lebet."
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