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DER EINFLUSS DER FREIMAUREREI AUF DIE GEISTIGE KULTUR» 337
Herder hatte inzwischen das Englische Konstitutionenbuch
gründlicher studiert, und er suchte nun im zweiten Gespräch:
„Salomos Siegelring" den Ursprung der Freimaurerei in den
alten Bruderschaften, welche die herrlichen Dome bauten. Mystery
ist das Kunstgeheimnis. Hiram ist tot und der Tempelbau noch
nicht vollendet. Mit dem Gesänge der Linda:
„Weltgeist binde deine Töne
Liebend zusammen;
Und sie werden ein Saitenspiel"
tönt das Gespräch, das sich in der orientalischen Märchenwelt
bewegt, aus. Im dritten Gespräch „Basilika" wird das Thema
vom Zusammenhang der Freimaurerei mit den Bauhütten weiter
ausgesponnen. Die schreckhaften Gebräuche der Aufnahme, der
Eid, die Zeichen etc. sind Reste alter Handwerkerordnungen,
die den Zweck hatten, rohe Gemüter und vielartige Stände zu
verbinden. Das vierte Gespräch, „Massonerie", spielt sich in Horsts
Basilika d. h. in seiner Bibliothek ab, in welchem dann noch
manches über die Baukunst im Mittelalter genauer erklärt und
weiter entwickelt wird.
Das oberste Gesetz für den Freimaurer ist der Spruch:
„Was du willst, daß andere dir nicht tun sollen, tue ihnen
auch nicht." Herders Humanitätsideal hat sich an Lessings
Nathan gesättigt. Ein idealer Himmel wölbte sich über den
von den großen Deutschen Dichtern geschaffenen Gestalten,
„sie seien Morgenländer oder Abendländer, seien Juden, Christen,
Muhamedaner. Das Zeitalter, da Humanus Herder predigte,
da Goethe Griechen und Skythen durch reine Menschheit harmonisch
verband und Schwerterklirren in ein freundschaftliches
Lebewohl aus tiefster Brust verhallen ließ, da Schiller „diesen
Kuß der ganzen Welt" zuwarf, selbst dem rohesten Kannibalen
schwärmerisch den Becher sanfter Freude kredenzend, und der
weltbürgerliche Malteser seine Liebe allen kommenden Geschlechtern
zuschwor, hat sie alle geboren, die Männer und
Frauen, die Alten und Jungen, die Erprobten und Irrenden, die
Starken und Schwachen. Völlig verbannt aus diesen heiligen
H. Boos, Geschichte der Freimaurerei.
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