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DER EINFLUSS DFR FREIMAUREEEI AUF DIE GEISTGIE KULTUR. 339
der Empfindung und Zartheit derselben, an Natur und Wahrheit
und zugleich an hohem Kunstverdienste auch nur von
weitem bei. Die Natur hat ihn reicher ausgestattet, als irgend
einen, der nach Shakespeare aufgestanden ist." Aber auch als
Mensch schätzte er ihn: „Wenn er nicht als Mensch den größten
Wert von allen hätte, die ich persönlich je habe kennen lernen,
so würde ich sein Genie nur in der Ferne bewundern/ „Er
hat eine hohe Wahrheit und Biederkeit in seiner Natur und
den höchsten Ernst für das Rechte und Gute."
Unmöglich, daß ein solcher Mensch dem Freimaurerbunde
fern bleiben konnte. Denn gerne verkehrte er mit gleichstrebenden
Menschen und liebte eine heitere Geselligkeit. Freilich
sein erster Versuch führte zur Gretchenkatastrophe und er
ergab sich, einige Zeit lang völliger Einsamkeit. Doch suchte
er bald wieder Anschluß an edle Jünglinge und bat im Mai
1764 brieflich Ludwig Ysenburg von Buri im Neuhof um Aufnahme
in den von ihm gegründeten Tugendbund, die „arkadische
Gesellschaft". Allein, da ihn jene böse Gretchengeschichte
tugendhaften Leuten verdächtig gemacht hatte, wurde er abgewiesen
.1 Mit der Freimaurerei hat diese arkadische Gesellschaft
so wenig etwas zu tun als die Tischgesellschaft in Straßburg
, deren Mitglieder Goethe, Jung-Stilling, Lerse etc. waren.*
Erst in seiner Vaterstadt Frankfurt trat die Versuchung an ihn
heran sich als Mitglied des ehrwürdigen Bundes aufnehmen zu
lassen. Früh schon hatte die Freimaurerei in Frankfurt Wurzeln
gefaßt. Ihr gehörten vor allen die Mitglieder der reformierten
Gemeinde an, intelligente, aufgeweckte Leute. Goethes Verlobung
mit der reizenden Lili Schönemann führte zu einem
schweren Konflikte. Denn die Eltern der beiden Verlobten
standen zueinander im denkbar größten Gegensatz. Lili, diese
elegante Weltdame paßte ganz und gar nicht in das altfränkische
1 Briefe in der Weimarer Ausgabe L vom Mai und Juni 1764. Vgl.
KeUer, Herder p. 4=2 Anm. 3.
* Auch über diese Dinge bringt L. Keller unglaubliche Fabeleien vor
1. c. p. 41 ff.
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