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NEUNTES KAPITEL
heißt es iirt Lehrbrief Wilhelm Meisters, „sie sind aber nicht
das Beste. Das Beste wird nicht deutlich durch Worte. . Der
Geist, aus dem wir handeln, ist das Höchste." Die ganze
Menschheit umfaßt seine große Seele. „Die Menschheit ist erst
der wahre Mensch, und der einzelne kann nur froh und glücklich
sein, wenn er den Mut hat, sich im Ganzen zu fühlen."
Allein er ließ es bei der platonischen Menschenliebe nicht bewenden
, er gab vielmehr die Fülle seines Seins seinen Mitmenschen
und verbreitete um sich zutrauliche Fröhlichkeit.
Diesen Zug hatte er von seiner Mutter, der Frau Aja, geerbt,
die einmal das schöne Wort sprach; „Ich habe die Gnade von
Gott, daß noch keine Menschenseele mißvergnügt von mir weggegangen
ist, weß Standes, Alters und Geschlechts sie auch gewesen
ist. Ich habe die Menschen sehr lieb und das fühlt alt
und jung; gehe ohne Prätensionen durch die Welt, und dies
behagt allen Erdensöhnen und Töchtern; bemoralisiere niemanden,
suche immer die gute Seite auszuspähen, überlasse die schlimme
dem, der die Menschen schuf und der es am besten versteht,
die Ecken abzuschleifen, und bei dieser Methode befinde ich
mich wohl, glücklich und vergnügt." Goethe bat Gott: „daß
er mich täglich haushälterischer werden lasse, um freigebig
sein zu können, es sei mit Geld oder Gut, Leben oder Tod!"
Diese Gesinnung strömt das echt frei^ rDas
Göttliche " jus: -
Edel sei der Mensch, Denn unfühlend
SüIfeiQli„uicl,gut!
Ist die Natur:
Es leuchtet die Sonne
Denn das allein
Unterscheidet ihn
Von« allen Wesen,
Die wir kennen.
Und dem Verbrecher
Glänzen, wie dem Besten,
Der Mond und die Sterne.
Über Bös* und Gute,
Heil den unbekannten
Höhern Wesen
Die wir ahnen!
Ihnen gleiche der Mensch!
Sein Beispiel lehr uns
Jene glauben.
Wind und Ströme,
Donner und Hagel
Rauschen ihren Weg
Und ergreifen,
Vorübereilend,
Einen um den andern.
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