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DER EINFLUSS DER FREIMAUREREI AUF DIE GEISTIGE KULTUR. 347
mäßig, bei uns seines Gleichen zu finden glaubte, sich bei uns
in der Gesellschaft fühlte, die er, der besten gewohnt, als
Vollendung seiner menschlichen und geselligen Wünsche so gern
anerkannte."1
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Äußerungen eines so eifrigen und genialen Freimaurers wie
Goethe sind ohne weiteres bedeutsam. Wie dankbar wären wir
ihm, wenn er gleich Lessing und Herder seine Gedanken über
die Freimaurerei in systematischer Form niedergelegt hätte.
Allein, das tat er nicht, auch die Freimaurerei, wie alles übrige
faßte er vom künstlerischen Standpunkte auf. Wo er sich
über die Freimaurerei äußert, geschieht es mehr gelegentlich,
wie z. B. in der oben erwähnten Rede auf Wieland, wo er sich
über die freimaurerischen Geheimnisse, wie folgt, ausläßt: „Schon
als Jüngling mit demjenigen bekannt, was uns von den Mysterien
der Alten historisch überliefert worden, floh er zwar nach seiner
heitern Sinnesart jene trüben Geheimnisse, aber verleugnete sich
nicht, daß gerade unter diesen, vielleicht seltsamen Hüllen zuerst
unter die rohen und sinnlichen Menschen höhere Begriffe eingeführt
, durch ahnungsvolle Symbole mächtige leuchtende Ideen
erweckt, der Glaube an einen über alles waltenden Gott eingeleitet
, die Tugend wünschenswerter dargestellt und die Hoffnung
auf die Fortdauer unseres Daseins sowohl von falschen
Schrecknissen eines trüben Aberglaubens, als von den ebenso
falschen Forderungen einer lebenslustigen Sinnlichkeit gereinigt
worden." In einer andern Trauerrede* faßte er menschlich
das menschliche zusammen: daß unser Bund die Lebenden gleich
macht, „und zwar in dem Sinne, daß er sie zu vereintem Wirken
aufruft, deshalb jeden zuerst auf sich selbst zurückweist und
sodann auf das Ganze hinleitet.8 Kühl und praktisch menschlich
gedacht hört es sich an, wenn er in dieser Rede fortfährt:
„Unser Bund hat viel Eigenes, wovon gegenwärtig nur das eine
herausgehoben werden mag, daß, sobald wir uns versammeln,
die entschiedenste Art von Gleichheit entsteht; denn nicht nur
1 Abgedruckt in der Weimarer Ausgabe 3ö p. 313 ff.
2 Abgedruckt in der Weimarer Auagabe 36, 349 ff.
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