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DER EINFLUSS DER FREIMAUREREI AUF DIE GEISTIGE KULTUR. 355
Taten entstehen, die vor Gott und der Natur sich zeigen
können und die eben deswegen Folge haben und von Dauer
sind? Alle Werke Mozarts sind dieser Art; es liegt in ihnen eine
zeugende Kraft, die von Geschlecht zu Geschlecht fortwirkt und
so bald nicht erschöpft und verzehrt sein dürfte." Namentlich,
die Zauberflöte war ihm überaus lieb. Er beurteilt den Text
ganz richtig, daß er „voller UnWahrscheinlichkeiten und Spässe
sei, die nicht jeder zurechtzulegen und zu würdigen wisse; aber
man müsse doch auf alle Fälle dem Autor zugestehen, daß er
in hohem Grade die Kunst verstanden habe, durch Kontraste zu
wirken und große theatralische Effekte herbeizuführen," und
Goethe führt den großen Erfolg der Oper auf die Freude des
Publikums an der Erscheinung zurück. „Dem Eingeweihten wird
zugleich der höhere Sinn nicht entgehen." Eben dieser Erfolg
bewog ihn, einen zweiten Teil zu schreiben, „um," wie er dem
Musiker Wranitzky am 24. Januar 1796 schrieb, „sowohl dem
Publico auf dem Wege seiner Liebhaberei zu begegnen, als
auch den Schauspielern und Theaterdirektionen die Aufführung
eines neuen und komplizierten Stücks zu erleichtern; die Personen
sind alle bekannt, die Schauspieler auf diese Charaktere
geübt, und man kann ohne Übertreibung, da man das erste
Stück schon vor sich hat, die Situationen und Verhältnisse steigern
und einem solchen Stücke viel Leben und Interesse geben."
Wir ertappen hier Goethe auf einer unbegreiflichen Naivität.
Mit Kecht bemerkt Wranitzky in seiner ablehnenden Antwort,
daß „der Kontrast zwischen Goethes und Schikaneders Dichtung
ebenso bedenklich werde, wie zwischen Mozarts und seiner
Musik."1 In Folge davon ließ Goethe seinen Plan fallen. Doch
bietet das Fragment „Der Zauberflöte zweiter Teil" großes
Interesse. Bekanntermaßen repräsentiert die Königin der Nacht
die Kaiserin Maria Theresia, Monostatos das Pfaffentum, Sarastro
den Meister vom Stuhl, Tamino den Kaiser Joseph II. und
Pamina das Österreichische Volk. Papageno ist im Gegensatz
zu den Eingeweihten, die durch Bestehung der drei Proben
1 Briefe (Weimarer Auagabe) XI p. 13 ff. 308.
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