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DER EINFLUSS DER FREIMAUREREI AUF DIE GEISTIGE KULTUR. 361
Bildung zu tun; viele wünschen nur so ein Hausmittel zum
"Wohlbefinden, Rezepte zum Reichtum und zu jeder Art von
Glückseligkeit. Alle diese, die nicht auf ihre Füße gestellt
sein wollten, wurden mit Mystifikationen und anderm Hokus
Pokus teils aufgehalten, teils beiseite gebracht. Wir sprachen
nach unserer Art nur diejenigen los, die lebhaft fühlten und
deutlich bekannten, wozu sie geboren seien, und die sich genug
geübt hatten, um, mit einer gewissen Fröhlichkeit und Leichtigkeit
, ihren Weg zu verfolgen." In diesen Worten erkennen wir
die Ansicht Goethes über die Entstehung und das Wesen der
Freimaurerei. Er sieht in ihr hauptsächlich ein Bildungselement,
das den Wilhelm Meister fortan auf die rechte Bahn bringen
soll, gemäß dem Spruch: Der Mensch ist nicht eher glücklich,
als bis sein unbedingtes Streben sich selbst seine Begrenzung
bestimmt. Während er selbständig, wenn auch irrend den Weg
zur Wahrheit gesucht hatte, sollte er nun Mitglied einer Gesellschaft
sein, deren Obere ihm befahlen und seine Schritte leiteten.
Als aufmerksam beobachtender Wanderer lernte er die Welt
kennen und er ergriff einen sichern Beruf. Seinem Sohn Felix
wurde nun die Wohltat zu teil, die ihm in der Jugend gefehlt
hatte, in einer methodisch geleiteten Anstalt zum Jüngling
herangebildet zu werden. Die geheimen Lenker des Bundes
bleiben meist im Hintergrund, und nur zuweilen tritt einer hervor.
Über die Tendenzen des Bundes erhalten wir durch eine
Rede Lenardos nähern Aufschluß. Der bekannte Spruch: „Wo
mirs wohlgeht, ist mein Vaterland!" wird darin umgeändert:
„Wo ich nütze, ist mein Vaterland!a „Trachte jeder überall sich
und andern zu nützen!" Diese Rede ist ein glänzendes Lob auf
die menschliche Beweglichkeit. Nicht aus Gewohnheit oder
Trägheit soll der Mensch am Boden haften bleiben, sondern
hinaus auf das Meer des Lebens. Die verschiedenen Stände
werden uns nun vorgeführt, wie sie von der Neugierde, der
Wanderlust oder der Gewinnsucht getrieben, den heimatlichen
Boden verlassen und sich in fremden Landen herumtreiben, vom
Handwerksburschen bis zu jenem kaiserlichen Wanderer, Hadrian,
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