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ZEHNTES KAPITEL.
Er hatte sich mit den freimaurerischen Problemen vertraut
gemacht, und er verfolgte die Arbeiten von Schröder und Feßler
mit kritischem Verständnis. In ihm lebte ein Geist rücksichtslosester
Unabhängigkeit, der sich vor keiner Autorität beugte,
was ihm Schröder und Feßler sehr übel nahmen. Schneider war
wie Feßler, im Gegensatz zu Schröder, ein Feind jeder Geheimniskrämerei
und ein Freund der Öffentlichkeit, und er teilte seine
Forschungen gern andern mit. So erfuhr auch K. Chr. Krause
(geboren 14. Mai 1781 zu Eisenberg, gestorben 27. September 1832)
vieles von Schneider über die Freimaurerei und wurde dadurch
angeregt, 1805 sich in die Altenburger Loge aufnehmen zu lassen.
Dieser Schritt wurde für die Geschichte der Freimaurerei epochemachend
, denn keiner hat so viel zur Aufklärung und zur Vertiefung
der Freimaurerei getan wie Krause. Freilich ihm wurde
der Beitritt zur Loge verhängnisvoll. Weil er es gewagt hatte,
den Schleier zu lüften, der über der Freimaurerei lag, wurde
er bis zu seinem Tode von unsichtbaren Feinden verfolgt; sein
Leben war das eines Geächteten und von der Gesellschaft Ausgestoßenen
.1 Seine Schriften wurden so wenig beachtet, daß
er für die meisten keinen Verleger fand.2 Erst als Ahrens sie
ins Französische übersetzte, da schenkte man ihm wieder Aufmerksamkeit
, und heute gilt Krause den Komanischen Völkern
als der größte der Deutschen Philosophen. Krause ist in jener
großen Blütezeit der Deutschen Philosophie ein Mitstrebender
gewesen, der eine durchaus selbständige Stellung neben Kant,
Fichte, Hegel und Schelling einnimmt. „Er verlangt von der
philosophischen Forschung eine selbständige Bearbeitung und
Umwandlung des Gesamtstoffes, auch sein Geist möchte in
kühnem Fluge die Welt umfassen und nachbilden, alles Menschliche
von dem All, das Einzelne vom Ganzen begreifen." Die
1 H. S. Lindemann, ÜbersichtL Darstellung des Lebens und der Wissenschaftslehre
Krauses etc. München 1839. A. Procksch, Krause, ein Lebensbild
. Leipzig 1880. R. Eucken, Zur Erinnerung an Krause. Leipzig 1881.
Der von P. Hohlfeld und A. Wünsche veröffentlichte Briefwechsel. Leipzig
1903 deckt uns die ganze Tragik dieses Gelehrtenlebens auf.
* S. P. Hohlfeld in Monatshefte der Comenius-Gesellsehaft 1892, I. p. 3 ff.
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