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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/boos1906/0410
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ZEHNTES KAPITEL.

gewesen wäre. Zwar sind heute die ärgsten Ausschreitungen
des Logenwesens größtenteils verschwunden. Niemand sucht
mehr nach dem Stein der Weisen oder will Gold aus unedlen
Metallen machen und Geister bannen; man gehorcht nicht mehr
unbekannten Obern und es gibt auch keine Geheimnisse mehr;
mit dem unnützen Prunk von Dekorationen und hochtrabenden
Titularen hat man ebenfalls ziemlich aufgeräumt und allenthalben
strebt man nach Vereinfachung der Zeremonien. Aber die Schattenseiten
, welche einst Feßler so scharf und treffend gegeißelt,
hatte, und die er als Logenwesen brandmarkte, sind noch
heute vorhanden und nicht minder die Streitsucht und Unduldsamkeit
. „Nur am hellen Tage kann und muß sich das Leben
vollendet gestalten," sagte einst Moßdorf. Aber es gibt auch
heute noch viele, viele Stuhlmeister, die das helle Licht scheuen,,
und das Schauspiel von Zensuredikten und Ketzergerichten kann
man leider auch jetzt noch erleben.

Die Geschichte der Deutschen Freimaurerei in unserm
Jahrhundert steht in Parallele zur politischen Geschichte Deutschlands
. Mit Begeisterung ergriff das Volk die Waffen gegen die
fremden Bedränger, und jubelnd feierte die Loge Archimedes zu
den drei Reißbrettern in Altenburg die Siege ihres großen
Heldenbruders, des Marschalls Vorwärts. Aber das Deutsche
Volk wurde um die Früchte seiner erkämpften Siege betrogen.
Anstatt eines freien einigen Deutschlands entstand der Deutsche
Bund unglückseligen Angedenkens und eine trübselige Zeit der
Reaktion. Das Vereinswesen wurde wie die Presse polizeilich
geknebelt und jede freie Regung gewaltsam darniedergehalten
und erstickt. Auch die Logen wurden in vielen Staaten, wie
Kurhessen, Baden, Bayern und Osterreich verboten, und wo sie
erlaubt waren, herrschte ein kümmerlicher, philiströser Geist.
Der Deutsche, nachdem der Rausch seiner Siegesbegeisterung
verschwunden war, fiel wieder in sein altgewohntes Träumen
zurück, und ein ungesundes Literaturwesen schoß üppiger als je
ins Kraut. Der einzig gesunde unter so vielen Schattenmenschen
war Goethe, der 1822 meinte: „Mir ist nicht bange, daß Deutsch-


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