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DIE KEFORM DER FREIMAUREREI.
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und ebenso das Bemühen, eine Deutsche National-Grofi-
loge zu gründen, so lange es nicht Ein Deutsches freimaurerisches
System gibt, das seine Gleichartigkeit auch mit Bezug
auf das Gradwesen und das religiöse Bekenntnis der Bundesbrüder
außer Zweifel stellt.1
Diese Unzufriedenheit mit dem gegenwärtigen Logenwesen,
diese Gährung der Geister, ist nur ein Zeichen der Gesundheit
und nicht, wie so viele in pessimistischer Stimmung meinen, der
unheilbaren Erkrankung. Wie dem Einzelnen, so ist auch der
Gesamtheit die Selbsterkenntnis notwendig und nur dadurch
können Mittel gefunden werden zur Abwendung künftiger Gefahren.
Es schadet der Freimaurerei auch gar nichts, wenn sie von
Zeit zu Zeit von außen her angegriffen wird. Die größte Gefahr
droht ihr von einer andern Seite: der geistigen Blutarmut.
Während im vorigen Jahrhundert die Logen die Elite der
Gesellschaft umfaßten, änderte sich dies in unserm Jahrhundert.
Aus einer aristokratischen Gesellschaft wurde sie mehr und mehr
zu einer demokratischen.1 Der Adel hat sich von der Loge
zurückgezogen, ebenso die Geistlichkeit. So lange die regierenden
Fürsten an der Spitze der Loge standen, galt es in den
Offiziers- und Beamtenkreisen für ehrenvoll, der Loge anzugehören
. Auch hierin scheint seit dem Tode Kaiser Friedrichs
eine Wandlung eingetreten zu sein. Der Gelehrtenstand bildete
immer die Minderheit in den Logen, weil die großen Kosten
abschreckten. Hochmütig sprechen viele moderne Gelehrte das
Todesurteil über die Freimaurerei und bezeichnen sie als ein
veraltetes Insitut, als „Altersdasein" oder als „Harmloses Stillleben
." Sie zitieren selbstgefällig den Spott Lessings über die
schalen Reden, und in der Tat, wenn man einen Blick in die
landläufige freimaurerische Literatur wirft, wenn man etwa in
den Freimaurerzeitschriften die Reden liest, die in monotonem
Einerlei immer wieder die selben abgedroschenen Phrasen ab-
1 Settegast 1. c. p. 49. #
2 Vgl. M. Heyne, Demokratische Strömungen etc. in Mitteilungen des
Vereins d. Freimaurer 1890/91. p. 57 ff.
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