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ALTDORF.
Geschichtliche Einleitung.
Obwohl die andern zwei Landespfarreien
Bürglen und Silenen fast vier Jahrhunderte
früher als Altdorf urkundliche Erwähnung
finden - - es geschieht dies schon 857
— so rang sich die Ansiedlung am Fusse des
Grunberges doch allmählich zum Hauptorte
des ganzen Landes Uri empor. Da vor dem
12. Jahrhundert der Gotthardpass noch keine
Rolle spielte, für den es übrigens weder Kopf-
noch Endstation war, dankt Altdorf den genannten
Vorzug seiner Eigenschaft als Mittelpunkt
einer sehr ausgedehnten Landespfarrei,
welche ursprünglich die Gemeinden Erstfeld,
Attinghausen, Seedorf, Isental, Bauen, Seelis-
berg, Sisikon und Flüelen umfasste. Ein
solches Zentrum war der gegebene Ort für
Abhaltung von Märkten, und die mittelalterliche
Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung
brachte es mit sich, dass auch die weltlichen
Verwaltungen und die Gerichte an einem kirchlichen
Hauptorte ihren Sitz aufschlugen. Der
steigende Verkehr über den St. Gotthard liess
es sodann den Handelsbeflissenen sowie den
Gewerbetreibenden am ratsamsten erscheinen,
am nämlichen Mittelpunkte sich niederzulassen.
Natur und Elemente vereinigten sich aber
wiederholt, um Altdorf in seiner Entwicklung
zu hemmen oder wieder um eine ganze Epoche
zurückzuwerfen. (Siehe die Auswanderungssage
im Artikel »Zwyerhaus«). Felsstürze, Erdrutsche
und Lawinen brachten nicht selten
den Flecken in ernste Gefahr, daher die schöne
Sage gemäss welcher ein Engel die sturzbereiten
Felsen des »Rabenschnabel« in goldene
Ketten geschmiedet und daher die Frage des
Knaben Walter in Schillers Wilhelm Teil:
Vater, ists wahr, dass auf dem Berge dort
Die Bäume bluten, wenn man einen Streich
Drauf führte mit der Axt —
Der Meister Hirt erzählts. — Die Bäume seien
Gebannt, sagt er, und wer sie schädige,
Dem wachse seine Hand heraus zum Grabe.
Zu besserem Schutze dieses Bannwaldes
verbot die Landsgemeinde von 1698 darin
Ziegen und Schafe weiden zu lassen.
Ein Annalist von Colmar erlebte es, wie
am 10. Mai 1268 bei Altdorf eine grosse Ruß
niederging, die einen Stein von 12 Fuss Breite
und 13 Fuss Länge mit sich führte, die Kirche
und viele Menschen samt dem Prediger gänzlich
zerstörte und sieben Kühe und zahlreiche
Bäume vernichtete. (Geschichtsfreund, Bd. III,
S. 68). Tschudis Chronicon weiss ferner zu
melden: »Anno domini 1400 an Sontag nach
der Heiligen dry Künigen Tag, verbrann der
Houpt-Fleck Altorff in Ury.« Ende des 15.
oder anfangs des 16. Jahrhunderts überfluteten
die Wasser des Schachen mit solcher Gewalt
das Gelände von Altdorf, dass seine Bewohner
in höchster Not eine Prozession mit allen
Reliquien der Pfarrkirche veranstalteten und
auf Sonntag vor St. Johann ein jährliche
Almosenspende gelobten. (Jahrzeitbuch.) Nach
der Schrift, welche den 23. Oktober 1693 in den
Knopf des Türmli auf dem Platz zu Altdorf
gelegt worden, ist damals der Hauptort heimgesucht
worden »mit Steinen von abscheüw-
licher und zimblichen Heüseren sich vergleichender
Grösse, so von der Fluo ob dem süössen
Winkel herabgefallen und etliche Wohnungen,
auch an dem Berg liegende Güöter und Gärten
verderbet.« Der nämliche Bericht schildert auch
eine Brandkatastrophe. »Es entstuonde auf den
Sontag Rogate, so da wäre der 26ste Tag
Aprilis dises 1693 Jahrs in der Schmidgass zuo
Altdorf, ohngefahr um 10 Uhr in der Nacht, da
alles im ersten Schlaf wäre, ein entsedzliche
Feüwrsbrunst, und weilen schier alle Gebeüw
mehrteils von Holz waren, man auch des Feüwrs
erst zuo spat wahrgenommen, massen man in
den Ausdörferen ehnder als zuo Altorf selbst
gestürmet, ist innert 3 Stunden alles von Herrn
Obrist von Rollen seeligen Haus aufwerts bis
an Herrn Landamman Püntiners und Herrn
Carl Roman Megnets Haus einseits; anderseits
aber auch alles von dem Rathaus an (so mit
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