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bei der Entstehung der Eidgenossenschaft sich
geltend gemacht, einen hervorragenden Platz
an. Auch für die baugeschichtliche Entwicklung
von Uri ist dieser Gebirgsübergang von
hoher Bedeutung gewesen. Er öffnete das
von den übrigen Seiten schwer zugängliche
Land den veredelnden Einflüssen der italienischen
Kunst. Die Kirchtürme von Hospental
und Andermatt tragen italienisches Gepräge-
Die offenen Säulenhallen Italiens fanden trotz
des rauhern Klimas auch in Uri Eingang.
Wir erinnern an das Schirmhaus beim Gotthardhospiz
, an das Haus Baumann in Altdorf,
an die dortigen überwölbten Kirchenstiegen,
den ehemals offenen Holzgang zwischen Pfarrhof
und Kirchenmauer, an die loggia-artige
hölzerne Westfassade des Hauses hinter der
Schwanenapotheke, an die Ökonomiegebäude
von Dr. V. Müller, Redaktor Gamma und
Xaver Muheim in der Vorstadt, an das Sommerhaus
Waldegg, den Marktraum im Erdge-
schoss der Ankenwage mit einer Säule und
an das Plauderdach vor der Kirche in Bauen
auf gemauerten Pfeilern. Der Typ der obrigkeitlichen
Werkhütten mit ihren gemauerten
Säulen dürfte ebenfalls auf diesen Einfluss
zurückzuführen sein. Den grossen oktogonalen
Stall auf dem Gotthard mit einer hohen gemauerten
Säule in der Mitte hat schon H. R.
Schinz 1783 im Grund- und Aufriss gezeichnet.
Ein kleiner Heuschober, malerisch auf vier
gemauerten Säulen ruhend, steht in der Spillmatt
zu Schattdorf. Grössere Hütten von dieser
Konstruktion sind wahrscheinlich nur noch in
Bürglen zu finden Auffallende Anklänge an
Italien scheinen uns die granitenen Fahrgeleise
in den Strassen zu Hospental, Andermatt und
Altdorf zu sein. Unser Hauptort hat erst 1906
durch die Anlage der Strassenbahn eine grössere
Zahl solcher Steine verloren. Auch die vielen
Mauern um alle Gärten und Güter von Altdorf
können nicht bloss auf das von Schachen und
Reuss abgelagerte Steinmaterial zurückgeführt
werden. Eine Besitzerin der »Hagen« in Altdorf
sei von ihrem heimgekehrten Gatten einst
gefragt worden, was sie mit dem vielen Gelde
nun gemacht, das er aus fremdem Militärdienst
jeweilen heimgeschickt. Da führte die Frau
ihren Mann vor das Haus, zeigte ihm nicht
ohne Stolz die hohen Steinmauern rings um
die gewaltige Matte und sagte: »Da habe ich
das Geld vermauert.« Südländischer Sinn lässt
sich auch in der Vorliebe für zerfallenes überwuchertes
Gemäuer und für Ziegelböden in
den Hausgängen erkennen. Eine beachtenswerte
Eigentümlichkeit sind die relativ noch
zahlreichen Türklopfer inmitten der obern
Türfüllung. Ich erinnere mich nicht, in ganz
Unterwaiden ein einziges solches Stück gesehen
zu haben, im Urserntal aber sind diese Ersatzstücke
der Hausglocke noch häufig, werden jedoch
talabwärts immer rarer. Ein vollständiges
Stück fand ich am Hause von Alt-Landvogt Dr.
Joh. Melchior Lussmann in Silenen und bei
Jos. Bär in der Spillmatt zu Schattdorf, blosse
Spuren hingegen am Pfarrhof zu Spiringen,
am Siegristenhaus zu Altdorf und am Hofportal
des Gutes Blumenfeld im Grund. Das
eben genannte Exemplar soll wegen seiner
Schönheit einen geheimen Spezialfreund gefunden
haben.
Vor Einführung der Dorf-Wasserversorgung
mussten sich viele Güterbesitzer um
Altdorf mit Sodbrunnen behelfen. Das reizende
Häuschen beim »Huhn« figuriert unter
den Illustrationen; eine andere Anlage mit
Sprossen am Schöpfrad für Handbetrieb und
vorstehendem Dächlein besitzt noch das
Heimwesen des Max Albert. In der »Hagen«
diente ein ziemlich grosses Turmhäuschen
mit Blechstiefel auf dem Dach dem gleichen
Zweck. Daneben erhebt sich eine sehr vornehme
Stallung mit fensterähnlichen Luftöffnungen
und durchbrochenen rund bogigen
Oberlichtern. Dieses Brunnenhaus bietet im
Verein mit dem abgeschrägten Dachgiebel,
der Scheuer und dem grossen Hoftor von
der Strasse her eine prächtige Silhouette.
An die Wächterhäuschen in den Weinbergen
Italiens erinnern die kleinen Hüttchen,
die sich in manchen Gärten Altdorfs erheben
.
Der Giltsteinofen, welcher im Urserntal
so häufig ist und sich zum Ausruhen und zum
Kleidertrocknen vorzüglich eignet, weicht von
dem Kachelofen besonders im untersten Reusstal
stark ab. Diese Öfen aus Giltstein oder
Serpentin tragen meist eine Jahrzahl und
Initialen und sind manchmal auch mit Wappen
oder Hausmarken ausgestattet. Mancherorts
werden sie auch zum Dörren von Nüssen und
anderem Obst benützt und dadurch infolge der
Überheizung vorzeitig ruiniert. Die Deckplatte
im Hause des Jos. Zieri neben dem Spittel
in Silenen zeigt schalenähnliche Vertiefungen,
die angeblich vom Aufklopfen der gedörrten
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