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Zu beachten sind die spätgotischen Formen
am Erker aus dem Jahr 1608! Wir kommen
beim Hause „Zur Rose" darauf zurück.
Über der Türe zur Wohnstube ist eine in
Intarsia ausgeführte Tafel angebracht mit der
Inschrift:
„Ich gange gleich auß oder ein,
Wollest u Herr mein Gleitsmaa sein."
Das „HandelshausM oben am Markt
Turmgasse No. r.
(Blatt 5)
Die jetzigen Inhaber, Herrn Julius Hubers
Erben, besitzen Hausbriefe bis zum Jahr
1453 zurück, wo ein Kaspar Hör das Haus kaufte.
Es bestand aus zwei Teilen, dem „Eckladen
gegen den Markt" und dem inneren Teil. 1502
verkauft Ulrich Mayer, Gewandschneider, den
Eckladen dem Jörgen Grettler, während er
die andere Hälfte, „davon es geteilt ist", behält.
Da die mächtige Säule im Hausgang an ihrem
Renaissancekapitäl das Datum 1505 trägt,
wird Mayer diesen Teil neugebaut haben.
Von 1586 datiert ein Spanbrief von Bürgermeister
und Rat zwischen Baltasar Rotmund
und Daniel Schlumpf, dem damaligen Besitzer
des Ganzen, „weil dieser an seiner Behausung
einen stattlichen Bau aufgeführt". Damit
stimmt das Datum an der gotischen Türe des
Wendelturmes im II. Stock: 1586. Die Säule
zwischen zwei Fenstern im II. Stock ist eine
ganz genaue Kopie einer der beiden Erkersäulen
im Hause Hinterlauben Nr. 6 vom
Jahre 1581. Der uns unbekannte Werkmeister
wird also beide Bauten ausgeführt haben. Bis
1661 bleibt das Haus in Händen der Familie
Schlumpf, die folglich 1641 den steinernen
Erker an der Südseite erstellt hat.
Der Dreißigjährige Krieg hatte der Schweiz
einen gewaltigen wirtschaftlichen Aufschwung
mit sich gebracht, dem aber nach dem Friedensschluß
ein ebenso starker Rückschlag folgte,
der auch auf den St. Gallischen Handel schwer
schädigend wirkte. Infolgedessen kam die
im Handelshause residierende Firma „Caspar
Schlumpfs des eitern sei. Erben, Daniel Zolli-
kofer elter u. Mitverwandte" in Konkurs, der
sich sehr lang hinzog. Erst im Jahre 1661
ging das Haus von den Kreditoren an Zacharias
Bungier, Eisenhändler, über. 1670 ist es
in den Händen von Laurenz Kunkler, Kornherr
, in dessen Familie das Haus bis 1743
bleibt. Weitere Besitzer sind Alt-Bürgermeister
Laurenz Zollikofer von Altenklingen
und 1774 Joh. Joachim Bernet, des großen
Rates und Stadtgerichtes.
An der Dachform ist noch deutlich zu
erkennen, daß der stattliche Massivbau in
zwei Malen aufgeführt wurde. Auch hier
sehen wir wieder die eigentümliche Stilmischung,
indem frühere Teile, wie das Säulenkapitäl im
Hausgang von 1505, in Renaissance-, solche
von 1586 aber in ausgesprochen gotischen
Formen gehalten sind. Die Gesamtanlage ist
die übliche dieser größeren Kaufhäuser; der
starke Wendeltreppenturm im Innern ist ähnlich
angeordnet wie im jetzigen Stadthaus.
Das Haus zur Flasche
Speisergasse.
(Blatt 6, 7)
1428 ist ein Cunradt Burer, Schneider,
Besitzer des Hauses. Im Jahre 1468 gehört
das mit einem Zwingolf umgebene feste Eckhaus
an der Speisergasse dem Jakob von
Grünenstein. Diese alte Adelsfamilie besaß
seit frühen Zeiten Gerichtsherrlichkeit und
Güter zu Balgach im Rheintal als Lehen von
der Abtei St. Gallen und vom Stift Lindau.
Sie erbaute das Schloß ob dem Dorfe, das sie
Grünenstein nannte und von dem sie sich
herschrieb. Jakob hatte das Bürgerrecht zu
St. Gallen angenommen. Das Geschlecht starb
mit Abt Wolfgang in Kempten aus anno 1557.
1494 kam das Haus von Jakob von Grünenstein
verkaufsweise an Ulrich Kromm und von
diesem erblich an seine Söhne Jakob und
Gabriel Kromm. In Jakobs Händen blieb nun
das Haus längere Zeit. Im Jahre 1509 ist er
Bürgermeister. Ein nachbarlicher Vergleichsbrief
aus diesem Jahr sagt, daß Jakob Kromm
„sein Haus an der Spisergaß gelegen, die vier
Egg ganz fest gemauert und hinter dem Haus
ein Ziegelwand, darunter hinab ein Mur
bis an der Gösslerin Hus gemacht habe". Es
läßt sich vermuten, daß dieses Datum das
Baujahr des jetzigen Hauses, wenigstens in
seinen unteren Teilen bezeichnet. 1533 erscheint
die Witwe Jakob Kromms, Ursula geb.
Enggasserin, in einem nachbarlichen Mistgrubenstreit
mit Beistand ihres Sohnes Jakob
Kromm, Vogt zu Oberberg. Aus ihrem Nach-
XVI
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